Wie die populistische Rechte die Klimaanpassung bedroht
klimareporter.de, 6. Dezember 2024
Insight von Morton Hemkhaus
Der Markt für Elektronikgeräte wächst weltweit rapide, und das ist ein Problem. Mobiltelefone, Tablets und Laptops, aber auch weiße Ware, wie Kühl- und Gefrierschränke haben immer kürzere Innovationszyklen. Ihre geringe Lebensdauer führt zu einer wachsenden Berg an Elektroschrott (E-Waste).
Einer Studie der Vereinten Nationen zufolge werden pro Jahr 50 Millionen Tonnen Elektromüll produziert. Diese Menge bringe mehr auf die Waage als alle jemals hergestellten kommerziellen Flugzeuge zusammen, heißt es in der Studie. Bis 2050 werde die Menge sogar auf 120 Millionen Tonnen steigen, warnen die Autoren.
Die Entsorgung dieser Geräte erfolgt weltweit betrachtet selten fachgerecht. Die meisten Geräte werden verbrannt, vergraben oder unter prekären Bedingungen auseinander genommen. Niedrige Arbeitssicherheitsstandards gefährden nicht nur die Umwelt und die Gesundheit von tausenden Menschen in Ländern wie China, Ghana oder Indien. Es wird dabei auch ein Materialwert von über 50 Milliarden Euro vernichtet.
Warum das Problem nicht mehr nur durch importierten Elektroschrott wächst und welche Unterstützung betroffene Länder benötigen, erklärt Morton Hemkhaus (adelphi) im Interview.
Elektroschrott ist kein neues Problem, und es wird viel dagegen getan. Wieso kommt er dennoch nicht aus den Schlagzeilen?
Morton Hemkhaus: Dank der fortschreitenden Digitalisierung bleibt Elektroschrott ein heißes Eisen für die ganze Welt. Moderne Informationstechnologien verbreiten sich immer mehr, wir alle nutzen ihre Chancen für die Zukunft – in Industrie- und Entwicklungsländern. Zugleich sorgen wir damit für einen wachsenden Berg an verbrauchten Geräten und befeuern so weltweit die Missstände, die bei ihrer Entsorgung entstehen. Das ist die Schattenseite der Digitalisierung, die durch die weltweite digitale Vernetzung sichtbar geworden ist und somit zum wiederkehrenden Medienthema wird.
Wo liegen die Ursachen?
Morton Hemkhaus: In den Medien begegnet mir oft das Bild von einem Afrika, das allein unter dem Zivilisationsmüll ächzt, den Industrieländer bei sich nicht entsorgen wollen. Verschiedene Studien und Projekte belegen aber, dass dank der Basel-Konvention der Export von gefährlichem Müll, also auch Elektroschrott, stark zurückgegangen ist. Bei dem Großteil der Exporte handelt es sich um gebrauchte Elektronik, die als Second-hand Ware in Länder des globalen Südens verschifft werden.
Mir erscheinen daher zwei Trends bedeutsamer: der zunehmende Wohlstand und die fortschreitende Digitalisierung in Schwellen- und Entwicklungsländern. Beide Trends führen zu steigender Nachfrage an gebrauchten Elektrogeräten. Diese können legal importiert werden, doch sie landen nach relativ geringer Lebensdauer schnell auf dem Müll. Mangelt es an fachgerechter Sammlung, Verarbeitung und Entsorgung des Elektroschrotts, wird er schnell zu einem größer werdenden Problem.
Wie kommt es zu diesen Mängeln vor Ort?
Morton Hemkhaus: Oft ist die Entsorgung weit verzweigt und wird dem so genannten „informellen Sektor“ überlassen. Hinter diesem Begriff stehen Menschen, die ohne offizielle Genehmigung für ihren Lebensunterhalt aus Elektroschrott Rohstoffe gewinnen. Diese Menschen gehen von Haus zu Haus und sammeln Schrott, den sie selbst verwerten oder an wiederum an informelle Verwerter verkaufen.
In beiden Fällen werden beispielsweise Elektrokabel unter freiem Himmel oder in Hinterhöfen verbrannt, um daraus Kupfer zu gewinnen. Alles ohne Schutz für Gesundheit oder Umwelt. Aber die diese informellen Verwerter sind wettbewerbsfähiger als autorisierte Firmen, die durch die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards unter anderen Kostenstrukturen operieren. Das ist ein ökonomisches Dilemma, das die Lösungsfindung vor Ort erschwert.
Wo siehst Du wirkungsvolle Lösungen?
Morton Hemkhaus: Angesichts der enormen Stoffströme, die auf uns zukommen müssen wir besser wissen, wie viel Elektroschrott es überhaupt gibt. Der Global E-waste Monitor der United Nations University liefert hierzu verlässliche Zahlen bezüglich künftiger Wachstumsraten oder auch Statistiken über registrierte und nicht-registrierte Entsorgung.
Auf internationaler Ebene erweisen sich derzeit solche Initiativen als erfolgreich, die vor allem auf freiwillige Standards und freiwilliges Engagement setzen, Elektroschrott zu vermeiden. Ein Beispiel dafür ist die Initiative „Solving the E-Waste Problem“ (StEP), der auch adelphi angehört. Erst kürzlich sind wir der PREVENT Abfallallianz beigetreten und erarbeiten dort im Rahmen der Arbeitsgruppe zu Elektroschrott innovative Lösungsansätze zur Wiederaufbereitung von Elektroaltgeräten.
Was können die betroffenen Ländern tun?
Morton Hemkhaus: Auf Länderebene ist die Etablierung von Systemen der erweiterten Herstellerverantwortung relevant. Indem die Inverkehrbringer – das sind sowohl Produzenten als auch Importeure – für die Entsorgung von Elektroschrott zur Rechenschaft gezogen werden, können enorme finanzielle Ressourcen für den Ausbau der Abfallwirtschaft mobilisiert werden. Darüber hinaus muss erkannt werden, dass der informelle Sektor nicht verboten werden kann. Die Menschen sammeln manuell enorme Mengen an Elektroschrott, und diese Tätigkeit ist für viele Menschen eine wirkungsvolle Überlebensstrategie.
Wie kann ich also den informellen Charakter ihrer Arbeit erhalten, aber sie gleichzeitig besser schützen und in formelle Strukturen einbringen? Das erscheint mir die entscheidende Frage, für die adelphi zum Beispiel für Ghana Richtlinien schreibt, praktische Handreichungen entwickelt, Trainings anbietet und bestehende Programme evaluiert. Darüber hinaus können Tools wie der Business Plan Calculator der StEP Initiative lokalen Unternehmern helfen, E-Schrott im größeren Stil fachgerecht zu recyceln.