Der freiwillige Markt für Treibhausgaskompensation nimmt, auch angesichts der unzureichenden Minderungsziele auf internationaler Ebene, eine immer bedeutendere Rolle für die Erreichung des 2°-Klimaziels ein. Die Bekanntheit und Nachfrage nach freiwilligen Zertifikaten ist stetig gewachsen, wie die 2015 erschienene Marktanalyse adelphis im Auftrag des Umweltbundesamtes zeigt. Nachfrager in Industrieländern zeigen verstärkt Interesse an inländischen Kompensationsprojekten, welchem die aktuelle Angebotssituation aufgrund komplexer Rahmenbedingungen jedoch nicht nachkommen kann.
Dabei bergen nationale Kompensationsprojekte nicht nur für Emissionsreduktionen großes Potenzial. Sie fördern innovative Minderungswege, liefern Co-Benefits für die Projektregionen und ermöglichen die Weiterentwicklung freiwilliger Methoden für den Einsatz im Verpflichtungsmarkt. Daher sind sie wichtige Instrumente, um ehrgeizige Klimaziele voranzubringen und den Übergang zu einer emissionsarmen Wirtschaft zu unterstützen.
Zugleich ist der Gestaltungsspielraum für inländische Kompensationsaktivitäten in Industrieländern durch internationale, regionale und nationale Regelungen zur Klimaschutzverpflichtung stark eingeschränkt. Minderungsverpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll, dem europäischen Emissionshandel (EU-ETS) sowie nationaler oder subnationaler verpflichtender Mechanismen erhöhen das Risiko unterschiedlicher Formen der Doppelzählung und erschweren den Nachweis der Zusätzlichkeit für Projektentwicklern im freiwilligen Markt.
Einige Industrieländer haben bereits erfolgreiche Initiativen zur Entwicklung nationaler Minderungsprojekte gestartet, ein einheitlicher Rahmen zur Erfassung und Zertifizierung der THG-Minderungsaktivitäten für den freiwilligen Markt und zur Einbettung in den Verpflichtungsmarkt existiert bislang jedoch nicht.
adelphi hat in einer Studie im Auftrag der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt (UBA) die Eigenschaften und Voraussetzungen von Initiativen in Industrieländern (Annex I) analysiert, die Klimaschutzzertifikate aus inländischen Projekten für freiwillige Kompensationen generiert haben. Ziel des Vorhabens war es, die Herausforderungen und Chancen für nationale Klimaschutzprojekte im freiwilligen Kompensationsmarkt in Industrieländern zu beleuchten und Vorschläge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Entfaltung eines umweltintegeren inländischen freiwilligen Kompensationsmarkts zu entwickeln – und damit der Vision einer klimaneutralen Welt näher zu kommen. Die Ergebnisse wurden im Herbst 2016 bei einem Workshop mit europäischen Expertinnen und Experten in der Deutschen Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt vorgestellt und diskutiert. Zentrale Empfehlungen sind:
▸ Keine Nischen mehr: Der Regulierungsrahmen kann Doppelzählung vermeiden helfen. Wo Emissionsreduktionen auf nationale Ziele angerechnet werden, können Staaten Assigned Amount Units (AAUs) löschen oder sich verpflichten, frei werdende AAUs nicht zu verkaufen. Eine transparente Kommunikation kann vermeiden, dass double claiming die wahrgenommene Umweltintegrität beeinträchtigt.
▸ Freiwillige Qualitätsstandards bewerten und empfehlen: Der Staat oder eine andere zentrale Stelle könnte freiwillige Qualitätsstandards prüfen und empfehlen. Damit könnte auf etablierten Standards aufgebaut werden und bereits existierende Infrastruktur genutzt werden, statt parallele Strukturen zu schaffen, die das Risiko von Doppelzählungen erhöhen. Dies könnte zum Beispiel durch eine Positivliste anerkannter Standards oder die Festlegung von Mindestanforderungen erfolgen.
▸ Potential des LULUCF- bzw. AFOLU-Sektors ausschöpfen: Da die internationale Gemeinschaft eine klimaneutrale Welt bis Ende des Jahrhunderts anstrebt, werden Kohlenstoffsenken eine immer größere Rolle spielen. Die meisten inländischen Kompensationsinitiativen sind in diesem Sektor aktiv und haben daher viel Erfahrung mit der Entwicklung und Umsetzung von Projekten zur Emissionsreduktion und in Senkenprojekten, von der der Verpflichtungsmarkt lernen könnte.
▸ Ambitionslücke mit freiwilligen Aktivitäten schließen: Was als Widerspruch erscheint – freiwillige inländische Kompensationen für Verpflichtungsziele zu nutzen – kann dazu beitragen, die ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Das kann auch für die weiteren Verhandlungen zur Ausgestaltung des Pariser Abkommens von Interesse sein – insbesondere zu Artikel 6.4.