Rückblick auf 2024: Wie adelphi globale Umweltlösungen voranbringt
News vom 20. Dez. 2024
Insight von Lina Li
China engagiert sich sehr bei der Gestaltung globaler Klimaschutzregelungen und auch für Klimaschutz und eine Energiewende im eigenen Land. Aber selbst die optimistischsten Beobachter nennen Paris nur einen ersten Schritt. China hat noch viele Hausaufgaben zu machen, erklärt Lina Li (adelphi research) im IPG Journal.
Der Erfolg in Paris beim Klimaschutzabkommen wäre ohne die Zustimmung der USA und Chinas nicht möglich gewesen. Viele Beobachter, darunter nicht zuletzt Lord Nicholas Stern, sind der Meinung, dass China momentan in Sachen Klimaschutz weltweit am aktivsten ist, was das Land zu einem Vorbild für andere Nationen macht. Wer sich noch daran erinnert, wie sich China auf der Klimakonferenz von Kopenhagen bis zur letzten Minute gegen ein Abkommen gestemmt hat, stellt sich natürlich die Frage: Hat China in seiner internationalen Klimapolitik in den vergangenen Jahren eine Kehrtwende vollzogen?
China scheint in der Tat in letzter Zeit ein sehr viel größeres Verantwortungsbewusstsein an den Tag zu legen. Das zeigt sich sowohl darin, dass sich auch die Staatsführung mit dem Thema Klimaschutz befasst, als auch an einer immer engagierteren Agenda in der Süd-Süd-Kooperation.
Vor sieben Jahren nahm der damalige chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao am Klimagipfel in Kopenhagen teil, weshalb das Jahr 2009 auch als Chinas erstes Jahr des Klimaschutzes bezeichnet wurde. Im Vorfeld zu Paris 2015 trat der chinesische Ministerpräsidenten Xi Jinpin mit einem bis dahin beispiellosen Engagement für den Klimaschutz ein. Dazu gehörten unter anderem die Zusage, dass China den Höhepunkt seiner Emissionen bis 2030 erreicht haben will, die Ankündigung, im Jahr 2017 einen nationalen Kohlenstoffmarkt einzurichten, das Angebot, 3,1 Milliarden US-Dollar für die Süd-Süd-Klimafinanzierung bereitzustellen, und die persönliche Teilnahme von Xi am Pariser Klimagipfel.
Chinas Haltung zur Klimapolitik zeichnet sich nun auch durch eine größere Offenheit aus. Beispielsweise geht es nicht mehr um eine Minderung der Emissionsintensität, sondern es werden auch Klimaziele in absoluten Zahlen genannt. Zudem stellt China nicht mehr nur noch Forderungen an Industrieländer, sondern ist zu einem Land geworden, das selbst Klimafinanzierung leistet. Und nicht zuletzt treibt China aktiv die Süd-Süd-Kooperation voran und stellt im Rahmen der Süd-Süd-Klimafinanzierung Gelder zur Verfügung. Paris erlebte auch ein flexibles China in Bezug auf Transparenz und globale Temperaturziele. Ebenso verstärkte das Land seine bilateralen Klimaschutzbemühungen. In den Jahren 2014 und 2015 unterzeichnete es eine Reihe gemeinsamer Erklärungen mit wichtigen Ländern wie den USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Indien und Brasilien sowie der Europäischen Union.
Zu diesem Wandel haben mehrere Faktoren beigetragen. In Chinas Einstellung zum internationalen Klimaschutz spiegelt sich die generelle strategische Weichenstellung der Regierung Xi wider, China zu einer verantwortungsvollen Großmacht zu machen, die sich an der Weltordnungspolitik beteiligt. China macht sich Gedanken über sein internationales Ansehen und will nicht als „Blockierer“ bei den Klimaschutzverhandlungen dastehen. Im Oktober 2015 wurde auf der 5. Plenarsitzung des 18. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas verkündet, dass „China bei Verhandlungen über den Klimaschutz auf internationaler Ebene mehr Verantwortung übernehmen und eine aktive Rolle bei der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung spielen wird.“
Die US-chinesische Klimaschutzagenda ist eine weitere wichtige Triebfeder für die veränderte Position Chinas in der internationalen Klimapolitik. Die Beziehung zu den USA ist eine der wichtigsten bilateralen Beziehungen Chinas – mit starken Multiplikator- und Folgewirkungen auf andere bilaterale und regionale Beziehungen. Die USA haben ihre Klimaschutz-Diplomatie so sehr intensiviert, dass dieses Thema inzwischen ganz oben auf der Tagesordnung zwischen den beiden Staaten steht und zu den wenigen Dingen gehört, bei denen sie tatsächlich zusammenarbeiten könnten.
Grundsätzlich ist der Wandel in Chinas Haltung aber auch darauf zurückzuführen, dass die international geforderten Klimaschutzmaßnahmen im Einklang mit den innenpolitischen Interessen stehen, die Luftverschmutzung zu bekämpfen. In ganz China bestand und besteht das immerwährende und sich verschlimmernde Smog-Problem. Auch andere Umweltprobleme haben sich in den letzten Jahren verschärft und betreffen auf regionaler und lokaler Ebene das Leben der Menschen, wirken sich auf die Nahrung, das Wasser, den Boden und die Gesundheit aus. Daraus ergeben sich nicht nur ökologische Probleme, sondern auch Sorgen um die politische Stabilität. Bis vor wenigen Jahren gab es für die Bevölkerung noch kaum Möglichkeiten, Politik direkt mitzugestalten. Das ändert sich gerade. Mit der ökologischen Krise nimmt die Sorge der Öffentlichkeit über Umweltprobleme rasant zu und damit auch generell ein Umweltbewusstsein. Dies ist größtenteils dem Boom sozialer Medien in China zu verdanken. Erhebungen von McKinsey zufolge nutzten 2011 bereits 300 Millionen Menschen in China die sozialen Medien. Das hat den Druck auf die chinesische Regierung verstärkt, Umweltprobleme anzugehen. Eine nachhaltige „grüne Entwicklung“ ist jetzt zur Schlüsselstrategie Chinas erklärt worden.
China hat 2016 erstmals die G20-Präsidentschaft übernommen, die in Peking als eine der wichtigsten diplomatischen Rollen gilt, die das Land in den Mittelpunkt einer globalen wirtschafts- und finanzpolitischen Ordnungspolitik stellt. Das bietet China die große Chance, sich als Stratege in „Großmachtdiplomatie“ zu beweisen. Mit Erfolg stellte China die Themenbereiche Klima, Energie und nachhaltige Entwicklung ganz oben auf die G20-Agenda.
Ein Durchbruch wurde erreicht, als die USA und China einen Tag vor Beginn des G20-Gipfels am 4. und 5. September in Hangzhou gemeinsam ankündigten, das Pariser Abkommen zu ratifizieren. Der Zeitpunkt war sorgfältig gewählt, um sowohl den UN-Klimaverhandlungen als auch der G20 positive Impulse zu geben. Damit war die Zahl der Länder, die das Abkommen ratifiziert hatten, auf 26 gestiegen. Der Anteil dieser Länder am Emissionsausstoß beträgt 39 Prozent, was bedeutet, dass damit das Erreichen der für das Inkrafttreten des Abkommens benötigten 55-Prozent-Schwelle sehr viel näher rückte. Diese „Vorbild“-Maßnahme setzte die wichtigsten Akteure wie die EU, Kanada und Indien unter Zugzwang, die dann auch tatsächlich Anfang Oktober das Abkommen ratifizierten, so dass es bereits am 4. November 2016 in Kraft treten konnte.
Im Rahmen der G20 gab es mehrere Highlights. Zum ersten Mal wurde von der G20 eine offizielle Erklärung zum Klimaschutz veröffentlicht: die Erklärung der Präsidentschaft zum Klimawandel auf dem Sherpa-Treffen vom 8. April 2016. Auch in mehreren Kommuniqués von Ministertreffen wurde die Unterstützung für die Umsetzung des Pariser Abkommens bekräftigt. In der G20-Gipfelerklärung verpflichten sich die Staaten, das Abkommen von Paris so schnell wie möglich zu ratifizieren, bekräftigen die Bereitschaft, Mittel für die Klimafinanzierung bereitzustellen und bringen zum Ausdruck, dass sie erwartungsvoll erfolgreichen Ergebnissen in einschlägigen multilateralen Foren, einschließlich des Montrealer Protokolls und der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, entgegensehen. In beiden Foren konnten im Laufe des Jahres Fortschritte erzielt werden.
China ergreift auch in Bezug auf die neue Studiengruppe „Ökologisches Finanzwesen“ (Green Finance Study Group, GFSG) die Initiative und treibt deren Aufbau weiter voran. Bei dieser G20-Gruppe teilen sich die chinesische Zentralbank und die Bank von England den Vorsitz und werden vom Sekretariat des UN-Umweltprogramms (UNEP) unterstützt. Der von der GFSG herausgegebene Synthesebericht zum ökologischen Finanzwesen wurde von den G20-Staaten begrüßt und politisch anerkannt.
Die G20 hatten sich 2009 dazu verpflichtet, die Subventionen für fossile Brennstoffe auslaufen zu lassen, aber auch dieses Jahr scheiterte der Versuch, sich auf einen zeitlichen Rahmen zu einigen. Die USA und China machten jedoch einen Vorstoß, indem sie ein G20-Evaluierungsverfahren zu diesem Thema zum Abschluss brachten. Die Ergebnisse der Bewertungen in den beiden Ländern wurden auf dem G20-Gipfel vorgestellt.
Insgesamt hat China seine Klimaschutzbemühungen im Rahmen der G20 erheblich verstärkt und dazu beigetragen, die relevanten Themen oben auf der Agenda der Weltordnungspolitik zu verankern, auf jeden Fall weit höher als dies auf vorhergehenden Gipfeltreffen erreicht werden konnte.
Ein genauerer Blick auf Chinas Volkswirtschaft offenbart jedoch, dass sich das Dilemma zwischen der Wirtschaft auf der einen und Klima- und Umweltschutz auf der anderen Seite nicht grundlegend verändert hat. Ein Beispiel dafür ist der Kohleenergie-Sektor, der trotz einer guten Entwicklung hin zu erneuerbaren Energien immer noch fast zwei Drittel von Chinas Energiemix ausmacht. Einerseits muss Peking die Kohlenstoffblase im Land unter Kontrolle bringen. Das wird vor allem durch das drängende Problem der Luftverschmutzung und die damit verbundenen Ängste in der Bevölkerung angetrieben. Andererseits sind die Provinz- und Kommunalregierungen immer noch mehr am Wachstum des Bruttoinlandsprodukts interessiert – mit einer Pfadabhängigkeit, die zur Förderung großer Infrastrukturprojekte führt und auf einem Wachstumsmodell beruht, das auf die Schwerindustrie angewiesen ist.
China steht an einem Scheideweg, seine internationale Diplomatie als aufstrebende Macht (neu) zu gestalten und seine binnenwirtschaftlichen und innenpolitischen Reformen zu vertiefen – als ein Land, das seinen Bürgerinnen und Bürgern versprochen hat, für blauen Himmel, sauberes Wasser und gesunde Nahrungsmittel zu sorgen. China engagiert sich sehr bei der Gestaltung internationaler Klimaschutzregelungen und auch für Klimaschutzmaßnahmen und eine Energiewende im eigenen Land. Aber selbst die optimistischsten Beobachter nennen Paris nur einen ersten Schritt. China hat in dieser Hinsicht noch viele Hausaufgaben zu machen.
Lina Li ist Projektmanagerin bei adelphi research und arbeitet in den Themenbereichen Emissionshandel und Marktmechanismen. Sie ist Spezialistin für Kohlenstoffmärkte, emissionsarme Entwicklung sowie Klima- und Außenpolitik. Li hat einen Master in Internationaler Politik der School of International Studies der Peking University.
Der Gastbeitrag "Blauer Himmel in Peking" wurde am 21. November 2016 online publiziert. Wir veröffentlichen den Text an dieser Stelle mit freundlicher Genehmigung des IPG Journal.