Worauf wir bei der COP29 achten sollten
News vom 11. Nov. 2024
Insight von Tobias Bernstein
Um ihre Klimaziele zu erreichen, blicken viele Städte über ihren eigenen Horizont hinaus und suchen den Austausch in größeren Netzwerken. Wie schlägt sich das in greifbarer, anhaltender Wirkung nieder? adelphi hat drei Jahre lang die Zusammenarbeit von 34 Kommunen im Projekt Bridging European and Local Climate Action (BEACON) geleitet. Hier schildern wir einige ausgewählte Beispiele.
Viele europäische Gemeinden sind beim Klimaschutz ganz vorn mit dabei, und zwar aus gutem Grund: Hier zeigen sich die Folgen des Klimawandels am deutlichsten. Überschwemmungen zerstören zentrale urbane Infrastruktur, Dürren gefährden Ernten, und Hitzestress wirkt sich negativ auf die körperliche und psychische Gesundheit der Städterinnen und Städter aus. Zugleich haben Lokalpolitiker*innen ein echtes Interesse daran, ihren Wahlberechtigten attraktive Lebens- und Arbeitsbedingungen zu bieten, und suchen deshalb in der Clean-Energy-Wirtschaft nach neuen Chancen. Dafür suchen viele von ihnen den Austausch mit und Inspiration von anderen, wie BEACON sie bot.
BEACON-Konferenzen, Themenworkshops und Städtepartnerschaften boten Raum für den direkten Austausch von Erfahrungen, Praxistipps und Wissen zu spezifischen Klimathemen. Im Anschluss an diese Veranstaltungen überarbeiteten mehrere Kommunen ihre Prioritäten, passten das Gewicht an, das sie einzelnen Maßnahmen gegeben hatten, und setzten neue Themen auf die Agenda.
„Ich sehe das Projekt als einen Marktplatz der Erfahrungen und Ideen zur Minderung des Klimawandels und zu anderen Fragen, denen Kommunalverwaltungen gegenüberstehen.“ Olaf Lewald, Bielefeld, Deutschland.
Cieszyn (Polen) entschied sich beispielsweise nach einem Workshop, auf dem Rožnov pod Radhoštěm (Tschechien) eine Energiemanagement-Software vorstellte, nach einer ähnlichen Lösung zu suchen, mit der die Stadt den Energieverbrauch in öffentlichen Gebäuden systematisch überwachen kann. Cieszyn entschied sich für eine maßgeschneiderte, nichtkommerzielle Lösung, die die Datenbasis liefern wird, um ihren Low-Emission Economy Plan (LEEP) von 2021 in den kommenden Jahren zu aktualisieren.
Ergänzt wurden die Dialogveranstaltungen durch individuelle Beratung, die es den Kommunen ermöglichte, relevante Maßnahmen und Initiativen zu priorisieren und zu verfolgen.
„Coachings gaben uns Inspirationen, wie wir unsere Arbeit besser machen können, wie wir zukünftige Herausforderungen und Chancen verstehen können (…). Wir haben oft nicht die Zeit, selbst nach dieser Art von Information zu suchen.“ Representative of Bielawa, Poland
Mehr als 90 Prozent der BEACON-Teilnehmenden berichteten, dass die Grundstimmung im Projekt dazu führte, Klimaschutzmaßnahmen in ihrer Gemeinde zu priorisieren und zu multiplizieren. In vielen Fällen konnten vorhandene Projektideen dank der strategischen und/oder technischen Unterstützung vorangebracht werden – teils bis zur Umsetzung. In anderen Fällen wurden ganz neue Ideen zum Leben erweckt, von denen einige hier geschildert werden.
Bereiche, in denen dank BEACON neue Projekte umgesetzt oder vorangebracht wurden. 93 % der evaluierten Kommunen nutzen „Bridging European and Local Climate Action – BEACON“ um bestehende Projekte voranzubringen; 79 % entwickelten neue Klimaprojekte. Quelle: From Ideas to Action.
Sich als Teil einer Gemeinschaft Gleichgesinnter zu fühlen, motiviert und inspiriert technische wie politische Fachleute dazu, kommunale Klimapolitik ambitionierter zu gestalten. Acht der fünfzehn nicht-deutschen Gemeinden, die umfassend unterstützt wurden und bereits zu den Unterzeichnenden des Covenant of Mayors (CoM, ein Zusammenschluss von Bürgermeister*innen, die in ihren Städten Klimaschutz und Energieeffizienz voranbringen wollen) gehörten, haben ihre Verpflichtungen im Rahmen dieses Bündnisses erneuert oder sind gerade dabei, und eine neunte Stadt – Kalamata (Griechenland) – ist dem Konvent beigetreten. Sie alle haben ihre Aktionspläne für nachhaltige Energie und Klimaschutz (Sustainable Energy and Climate Action Plans, SECAPs) substanziell weiterentwickelt.
Der Bürgermeister von Sztum unterzeichnet den Covenant of Mayors. Quelle: UMiGSztum.
Die beteiligten Gemeinden profitierten nicht nur in Hinblick auf ihre übergreifende Strategie und den politischen Rahmen, viele von ihnen entwickelten oder überarbeiteten auch Planungsunterlagen für bestimmte Sektoren. Přeštice (Tschechien) erstellte beispielsweise einen Landnutzungsplan, Loulé (Portugal) einen Aktionsplan für eine Kreislaufwirtschaft. Alba Iulia, Zalău und Deva (Rumänien) entwickelten eine integrierte Stadtentwicklungsstrategie, die den Klimawandel in den Fokus rückt – seine Folgen, Potenziale zur Minderung und Anpassungsmöglichkeiten.
Die Unterstützung durch das Projekt half Kommunen nicht nur dabei, sich neue Ziele zu setzen, sondern auch dabei, bestehende Verpflichtungen zu erfüllen. Mehrere von ihnen führten Prozesse und Strukturen zusammen oder ganz neu ein, die sektorale Silos abbauten und effektiveren Klimaschutz ermöglichten. BEACON-Teilnehmende aus allen Ländern berichteten, dass sie seit Projektbeginn von Kolleg*innen aus der Verwaltung stärkere Unterstützung für ihre Klimaaktivitäten erhalten.
In Griechenland berichteten alle teilnehmenden Gemeinden, dass sie entweder ihre Stadtverwaltung umstrukturiert hatten, um die Herausforderungen des Klimawandels über Sektoren hinweg angehen zu können, oder die Zusammenarbeit zwischen Abteilungen bei der Klimazielsetzung und der Koordination von Klimaplänen deutlich gesteigert hatten.
In Sztum (Polen) wurde eine neue Einheit gegründet, mit der Aufgabe, lokale Klima- und Energiepolitik anzuführen und entsprechende organisatorische Änderungen im gesamten Rathaus einzuführen. Zudem wird eine neue Stelle für Klimaprojekte und -politik demnächst besetzt.
In Loulé (Portugal) hat das Klima-Fachpersonal, das sich zuvor nur auf Anpassung konzentrierte, sein Mandat auf Kreislaufwirtschaft und Klimawandelminderung erweitert. Zugleich wurde sein Status von einer kommunalen Einheit zu einer eigenen Abteilung angehoben, was mehr Ressourcen und die Möglichkeit, mit anderen kommunalen Abteilungen auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, mit sich bringt.
Kommunale Verwaltungen können allein nur einen kleinen Teil der Klimaziele erreichen. Für einen erfolgreichen Wandel hin zu klimaneutralen Gesellschaften ist es unumgänglich, auf andere Beteiligte vor Ort zuzugehen.
Auf der griechischen Insel Syros half BEACON, den Weg für ein lokales Klimaforum zu bereiten, das Schlüsselakteur*innen, etwa Hoteleigentümer*innen und das Krankenhaus – als große Energieverbraucher –, mit Produzenten erneuerbarer Energie zusammenbrachte. Ein Coaching durch den BEACON-Projektpartner CRES unterstützte die kommunalen Beschäftigten dabei, Akteur*innen strategisch abzubilden, Verantwortlichkeiten zu definieren und Verbindungen zu laufenden Projekten herzustellen. So waren sie in der Lage, selbständig weitere Schritte durchzuführen.
In Setúbal – eine bedeutende portugiesische Hafenstadt – wurde zum ersten Mal seit Jahren ein Austausch mit Branchenführern zu Klimaaktivitäten wiederbelebt. Sie trugen ihre Sichtweise zur Entwicklung des kommunalen SECAP bei; der endgültige Plan soll in naher Zukunft Beteiligten aus der Privatwirtschaft vorgestellt werden, um Finanzierung einzuwerben.
Setúbal diskutiert über Klimaschutz. Quelle: BEACON.
Unter allen Klimaaktivitäten bleibt die Energieeffizienz eine zentrale Priorität für Kommunalverwaltungen, und das Einsparpotenzial ist noch immer beachtlich, besonders in Ost- und Südeuropa.
Bestehende Ansätze für das kommunale Energiemanagement wurden mit Unterstützung von BEACON stark verbessert, unter anderem durch eine bessere Datensammlung und -analyse. In Griechenland arbeiteten Agios Dimitrios, Dorida, Farsala und Syros-Ermoupoli mit CRES und externen Fachleuten zusammengearbeitet, um Energiemanagementsysteme nach den ISO-50001-Standards aufzubauen. Parallel dazu, und als Konsequenz daraus, wurden einzelne energiebezogene Umbauten und Erneuerbare-Energien-Investitionen für öffentliche Gebäude, Straßenbeleuchtung oder den kommunalen Fuhrpark getätigt oder begonnen.
Die Gemeinde Rožnov pod Radhoštěm (Tschechische Republic) entschloss sich, ein Energieperformance-Vergabeprogramm einzuführen, um 30 Prozent der öffentlichen Gebäude energetisch zu sanieren. Die jährlichen Einsparungen werden auf eine Gigawattstunde oder 1,2 Millionen tschechische Kronen (46.000 Euro) geschätzt, die nötigen Investitionen auf etwa zwölf Millionen Kronen (460.000 Euro). Der Vertrag sichert Energie- und finanzielle Einsparungen für zehn Jahre.
Sztum (Polen) akquirierte erfolgreich Gelder aus der European City Facility (EUCF), um in das kommunale Wasser- und Abwasser-Managementsystem zu investieren. Unter anderem wurden erneuerbare Energiequellen erschlossen, der Energiebedarf für die Wasserversorgung und die Abwassererfassung gesenkt sowie die Möglichkeit eingeführt, E-Fahrzeuge als Energiespeicher zu nutzen.
Der Fortschritt im Bereich der Produktion erneuerbarer Energien war weniger groß – vermutlich aufgrund des langen und komplexen Planungsprozesses sowie der Notwendigkeit, privatwirtschaftliche Akteur*innen einzubinden. Dennoch wurden in Griechenland wichtige politische Entscheidungen getroffen und Planungsschritte gemacht: Die Gemeinden Dorida und Farsala erreichten wichtige Meilensteine im Aufbau lokaler Energiegemeinschaften.
In Rumänien führten die beteiligten Gemeinden eine initiale Studie zum Potenzial von Photovoltaik (PV) auf öffentlichen Gebäuden durch. Alba Iulia hat die Ergebnisse nun genutzt, um sich auf ihrer Grundlage für einen Zuschuss aus der Förderung der European Economic Areas zu bewerben, mit dem die PV installiert werden soll.
Neben der üblichen kommunalen Tätigkeit im Energiesektor wurde in Coruche (Portugal) zudem ein Pilotprojekt gestartet, das die örtliche traditionelle Holzkohleproduktion dekarbonisieren soll. Diese Branche war für einen signifikanten Anteil der kommunalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Nun hat die Stadt einen strukturierten Dialog mit Produzent*innen und Zivilgesellschaft geführt. Das Ergebnis dieses Dialogs ist ein zweigleisiger Ansatz, auf den sich alle Beteiligten geeinigt haben: Die Mehrheit der Produzent*innen wird sich zu einer Kooperative zusammenschließen und mit einer Niedrigemissionsanlage („Zero-coal Factory“) arbeiten, die auf kommunalem Grund errichtet wird. Der Rest der Produzent*innen wird umfassende Maßnahmen ergreifen, um die Effizienz ihrer Öfen zu erhöhen und so die Verschmutzung zu mindern.
Traditionelle Holzkohle-Herstellung in Coruche, Portugal. Quelle: Câmara Municipal de Coruche.
Im BEACON-Bericht „From Ideas to Action“ finden sich noch zahlreiche weitere Beispiele für die positiven Ergebnisse, die ein Projekt wie BEACON erzielen kann. Wie kann man diese Wirkung ausweiten? Es ist zwar wichtig, einzelne Gemeinden zu unterstützen und so lokale Vorbilder zu schaffen, die zeigen, was im Kontext eines bestimmten Landes und seiner Rahmenvorschriften alles möglich ist. Doch wenn wir uns allein darauf verlassen, werden wir die europäischen Klimaziele für 2030 und 2050 verfehlen. Hier sind die fünf wichtigsten Empfehlungen aus dem Projekt: