Nachhaltiges Wirtschaften mit phiyond: Wichtige Meilensteine
News vom 09. Okt. 2024
Insight von Stefano De Clara
Die Idee hinter der International Carbon Action Partnership (ICAP) wurde im Jahr 2007 geboren, im Planungsstab des Auswärtigen Amts. Ziel war es, die Zusammenarbeit bei internationalen Klimaschutzthemen und der damit verbundenen Außenpolitik zu fördern. Noch im selben Jahr entstand aus einst bescheidenen E-Mail-Zeilen eine politische Erklärung, die in Lissabon unterzeichnet wurde.
ICAP erlangte rasch Aufmerksamkeit und wuchs schnell. Erste Mitglieder, darunter Regierungen auf der ganzen Welt, die über Emissionshandelssysteme (ETS) nachdenken und an ihnen arbeiten wollten, schlossen sich an. Das Sekretariat zog kurz darauf in das Bundesumweltministerium um.
Bis ICAP ihre Nische in der Welt der Kohlenstoffbepreisung, und im weiteren Sinn in der Klima- und Außenpolitik, fand, musste sie mehrfach in unbekanntes Gebiet vorstoßen. Ihre ersten Schritte machte ICAP während der Kyoto-Ära. Damals erschien die Verknüpfung von mehreren ETS (auch „Linking“ genannt) als ein vorstellbarer Weg, um einen globalen Kohlenstoffmarkt „unter der Kyoto-Obergrenze“ aufzubauen – und eine Organisation wie ICAP sollte diese Bemühungen vereinfachen und beschleunigen. Aus diesem Grund begann ICAP mit einem Fokus auf alle technischen Aspekte von ETS. Aber insbesondere auf jene Gestaltungselemente, die eine zukünftige Kopplung erleichtern können, wie MRV (Measurement, Reporting and Verification – Messen, Berichten und Verifizieren), Allokation, Umfang und Abdeckung.
In dieser Phase, von 2007 bis 2013, wurde das Sekretariat von Martin Bergfelder geleitet, dem Tobias Hausotter nachfolgte. ICAP suchte früh das Gespräch mit Regierungen der Asien-Pazifik-Region – insbesondere in Südkorea, Australien, Neuseeland, Kasachstan sowie mit nationalen und subnationalen Verwaltungen in Japan. Der Dialog mit solchen regionalen Vorreitern dieser Zeit war ein wichtiges Signal für eine echte internationale Kooperation und bildete die Grundlage für die Vielfalt an Mitgliedern und Beobachtern, die ICAP heute ausmachen.
Der Aufbau von Kapazitäten und die Wissensvermittlung zu grundlegenden Eigenschaften von ETS wurden zur Kernarbeit der ICAP. In diesem Zeitraum fanden auch die ersten ETS-Sommerakademien statt – eine Initiative, die bis heute fortbesteht. Die Sommerakademie ist heute eine der begehrtesten ICAP-Fortbildungen zum Kapazitätsaufbau und hat mit der Zeit dazu beigetragen, eine weltweite Gemeinschaft an ETS-Anwenderinnen und -Anwender auszubilden: nämlich die ICAP-Alumni. Die Zusammenarbeit mit China begann ebenfalls in dieser Periode: eine Konferenz im Jahr 2009, zwei Workshops zum Management und Monitoring von Emissionsdaten im Energiesektor im Jahr 2011 sowie mehrere Sonderausgaben der ICAP-Sommerakademie. Nach 2011 wurden der technische Dialog und der Wissensaustausch mit Akteuren jenseits des ICAP-Kosmos immer wichtiger. Eine erste Version der ETS-Karte der ICAP, die aktuelle Informationen zu ETS in der ganzen Welt visualisiert, wurde 2012 erstellt, und ein erstes Überblickswerk zu Kohlenstoffmärkten wurde 2013 veröffentlicht. ICAPs heutige wesentliche Rolle als Wissenszentrum für ETS baut auf der Arbeit dieser beiden Projekte auf.
Unter der bedachten Leitung von Constanze Haug und später William Acworth wuchs ICAP in den Jahren 2013 bis 2020 – übrigens zusammen mit der Zahl der ETS weltweit – und veränderte sich deutlich. Rund um den Globus entstanden weitere ETS. Bestehende Systeme machten Vorwärtssprünge, setzten Reformen um und vertieften ihre Märkte. Während aus der Theorie Praxis wurde und die Systeme vom Entwurf zur Anwendung fortschritten, wurden die Diskussionen und der Austausch über die technischen Elemente von ETS immer greifbarer. Für ICAP wurde der eigene Arbeitsbereich „technischer Dialog“ also immer wichtiger.
Zur selben Zeit wuchs der Appetit auf ETS in sich entwickelnden Volkswirtschaften. Das brachte neue Fragen mit sich. Wie etwa: Wie könnte ein ETS in einem Rechtsraum mit reguliertem Energiesektor funktionieren? Die wachsenden Kenntnisse über praktische Herausforderungen beim Linking von ETS, deren Gestaltung stark in den jeweiligen wirtschaftlichen Systemen und deren Bedürfnissen verwurzelt ist, führten auch dazu, dass frühere Hoffnungen auf eine transatlantische Kopplung und einen einzigen globalen Kohlenstoffmarkt weniger machbar erschienen.
Aber die globale Zusammenarbeit und der Austausch waren umso wichtiger angesichts einer Welt, in der sich die Modelle zur Umsetzung von ETS von Kontinent zu Kontinent erheblich unterschieden – in Hinblick auf Umfang, Verortung und Begrenzung. ETS und ihr Potenzial, ein Schlüsselinstrument in der Bekämpfung des Klimawandels zu werden, erhielten neuen Schwung, was bedeutete, dass Fachleute in diesem Bereich die Möglichkeit genossen, von ihren Kolleg*innen zu lernen. Die Kapazitätsaufbau- und Trainingsprogramme von ICAP begannen ebenfalls, die Ansammlung von praktischen Erfahrungen widerzuspiegeln. Mit der Einführung der ETS-Meisterklassen antwortete ICAP auf die wachsende Nachfrage nicht nur nach den Grundlagen von ETS, sondern auch nach einer Plattform für erfahrene ETS-Praktiker*innen, auf der sie ihr Wissen an eine neue Generation von ETS-Gestalter*innen weitergeben konnten, die wiederum daran arbeiteten, solche Systeme im globalen Süden einzuführen. Die ICAP-Alumni dieser Trainingsklassen umfassen heute rund 1000 Anwender*innen, die den Kontakt aufrechterhalten, zusammenarbeiten und sich austauschen, wenn sie sich auf internationalen Klimaveranstaltungen begegnen.
Auch die Rolle von ICAP als Wissenszentrum für ETS begann sich zu dieser Zeit weiterzuentwickeln. 2014 wurde etwa die erste Ausgabe des jährlichen Statusberichts Emissions Trading Worldwide Status Report veröffentlicht. Dieser Bericht ist inzwischen eine zentrale Ressource zum Thema ETS und Leuchtturm-Publikation. 2015 sammelte ICAP, gemeinsam mit der World Bank's Partnership for Market Readiness (PMR), Praxiswissen zur Gestaltung und Umsetzung von ETS in einem ETS Handbook. Eine Veröffentlichung, zu der uns die Nachfrage von Entscheidungstragenden aus der ganzen Welt anregte. Zudem haben wir unsere Berichterstattung zu ETS erweitert und 2019 unseren Allowance Price Explorer gestartet, ein Tool, mit dem sich die Preise unterschiedlicher ETS vergleichen lassen.
Selbst als andere globale Initiativen entstanden, die sich auf unterschiedliche Aspekte der Kohlenstoffbepreisung konzentrieren, behielt ICAP ihren Status als Schlüsselinstitution bei und galt weiterhin als maßgebende Stimme zu ETS. Bis heute ist ICAP ein zuverlässiges und neutrales Forum, in dem Beteiligte sich offen über die Gestaltung von ETS austauschen und auf hohem Niveau technische Dialoge führen. ICAP setzt weiterhin auf die Zusammenarbeit mit anderen Initiativen zur Kohlenstoffbepreisung auf der ganzen Welt.
Stefano De Clara hat 2021 die Leitung übernommen. Heute, 15 Jahre nach der Gründung von ICAP, stehen wir erneut an einem Scheideweg für ETS. Etablierte Systeme aus dem vergangenen Jahrzehnt befinden sich in einem Reifeprozess: Sie sind größtenteils stabil, zuverlässig und haben bereits einige Stürme überstanden. Durch Finanzkrisen, eine Pandemie und nun eine globale Energiekrise hindurch haben sie ihre Resilienz bewiesen. Zugleich kommen neue Systeme auf den Markt, vor allem in Lateinamerika und der Asien-Pazifik-Region.
Die Ziele der Entscheidungstragenden haben sich verschoben, sie wollen dieses politische Instrument mit langfristigen, ambitionierten Klimazielen in Einklang bringen. Wir blicken in die Zukunft und stellen Fragen wie diese: Wie werden ETS in einem Netto-Null-Szenario funktionieren? Und welche Rolle könnte die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre spielen?
Der Entwurf der EU für einen CO2-Grenzausgleichsmechanismus ist ebenfalls ein starker Anstoß für ETS und andere Instrumente zur Kohlenstoffbepreisung, die inzwischen vielfältiger geworden sind. Unter den Regierungen, die aktuell über ETS nachdenken, gibt es nur sehr wenige, die „traditionelle“ Cap-and-Trade-Systeme entwerfen, wie sie im ersten Schwung beispielsweise in der EU, Kalifornien, Quebec, Neuseeland, Südkorea und andernorts umgesetzt wurden. Die nächste Generation von ETS, die überwiegend in sich entwickelnden Ländern gestaltet und umgesetzt werden, werden alternative Elemente aufweisen, etwa Obergrenzen nach Emissions-Intensität, oder Hybrid-Systeme aus mehreren verschiedenen Mechanismen sein. Diese Systeme müssen sorgfältig aufgebaut werden, um zu bewährten und vertrauenswürdigen Instrumenten der Klimapolitik zu werden, die Regierungen dabei helfen können, ihre Ziele in ihrer jeweiligen Situation zu erreichen. Die Welt wird zunehmend komplexer, doch ETS sind flexibel genug, um dieser Komplexität gerecht zu werden. In Zukunft wird ICAP sich weiterhin tiefgehend mit diesen dynamischen Themen beschäftigen, um die Rolle der ETS beim Erreichen von Netto-Null-Emissionen zu stärken.
Das Sekretariat der ICAP verfolgt unermüdlich seine Mission, Regierungen auf der ganzen Welt dabei zu unterstützen, sich untereinander auszutauschen und starke Emissionshandelssysteme aufzubauen, die uns auf dem Weg zur Klimaneutralität voranbringen.
Wir danken allen für die Unterstützung in den vergangenen Jahren – und wir freuen uns schon auf die kommenden 15!
Stefano De Clara, Leiter des Sekretariats der International Carbon Action Partnership (ICAP)