Ein Bericht von WWF und adelphi betrachtet den komplexen Zusammenhang zwischen Natur und Sicherheit. Darin werden vier Wege beschreiben, die aufzeigen, wie die zunehmende Schädigung der Natur und der Verlust der Artenvielfalt weltweit Unsicherheit antreiben und Konfliktsituationen verschärfen sowie zu weiteren Umweltschäden führen.
Artenschwund und Klimawandel
Durch die weitreichenden Eingriffe der Menschheit in die Natur sind wir in den Sicherheitsbereich des Planeten eingedrungen, der notwendig ist, damit die natürlichen Systeme der Erde die Grundlagen für menschliches Wohlbefinden, Wohlstand und Sicherheit bereitstellen können. Das gilt besonders für zwei eng verbundene Krisen: den Artenschwund und den Klimawandel. Ökosysteme, die sowohl zu einem klimatischen Gleichgewicht und einer reichen Artenvielfalt beitragen als auch von ihnen abhängig sind, stehen im Zentrum dieses Doppelkrise.
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Zunehmende Unsicherheit und Konflikte
Zugleich nehmen Unsicherheit und Konflikte in der Welt zu. Sowohl innerhalb der eigenen Grenzen als auch zwischen verschiedenen Staaten haben Konflikte seit dem Ende des Kalten Kriegs abgenommen, doch im vergangenen Jahrzehnt hat die Zahl der Kriegstoten im Vergleich zum Jahrzehnt davor wieder deutlich zugenommen. Gleichzeitig mit diesen Entwicklungen sind auch die geopolitischen Spannungen zwischen regionalen und globalen Mächten gewachsen. Heute, im Jahr 2022, haben diese geopolitischen Spannungen mit dem Krieg in der Ukraine ein Niveau erreicht, das an den Kalten Krieg erinnert und voraussichtlich die weltweite Politik und die globalen Beziehungen auf Jahre hinaus beeinflussen wird.
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Die Folgen sowohl des Artenschwunds und des Klimawandels als auch von Konflikten und Unsicherheit sind weitreichend und berühren alle Aspekte menschlicher Gesellschaften. Doch wir sehen nicht nur ein Zusammentreffen von Umweltkrisen und Konflikten; sie beeinflussen sich auch zunehmend gegenseitig. Umweltschäden und der Verlust der Artenvielfalt sind wichtige Treiber für Unsicherheit und Konflikte in der ganzen Welt, und in dem Maß, in dem sie wachsen, wirken sie sich auch zunehmend auf den globalen Frieden und die weltweite Sicherheit aus. Umweltschäden und Artenschwund sind Teil eines komplexen Netzwerks aus Interaktionen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und die Umwelt betreffenden Risikotreibern. Zugleich tragen Konflikte und Unsicherheit dazu bei, die Umwelt zu zerstören und zu schädigen. Diese Interaktionen bilden zusammengenommen den Natur-Sicherheits-Nexus.
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2.67
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Milliarden Einwohner*innen
Beschreibung
in 201 Flussbecken auf der ganzen Welt erleiden mindestens einen Monat pro Jahr ernsthaften Wassermangel.
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Die Zusammenhänge zwischen Klima und Sicherheit und zwischen Natur und Sicherheit überschneiden sich und können nicht unabhängig voneinander in ihrer Gänze erfasst und angegangen werden. Tatsächlich sind Umweltfaktoren oft ein zentrales Glied in der Verbindung von Klimawandelfolgen und Sicherheitsrisiken. Doch der Natur-Sicherheits-Nexus umfasst zusätzliche Wechselwirkungen, bei denen Klimafolgen keine oder nur eine geringe verstärkende Rolle spielen. Deshalb stehen im Zentrum dieser Schnittstelle nicht der Klimawandel, sondern Artenvielfalt und Ökosysteme. Diese Perspektive erlaubt es, die gesamte Bandbreite der Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Frieden und Sicherheit zu bewerten.
Umweltzerstörung und der Verlust der biologischen Vielfalt können sich negativ auf die natürlichen Ressourcen, die Lebensgrundlagen und die Sicherheit der Menschen auswirken, was wiederum zu Konflikten, Kriminalität und politischer Instabilität beitragen kann. Gleichzeitig haben Kriege und Konflikte direkte negative Auswirkungen auf die Umwelt und die Umweltkriminalität sowie die illegale Ausbeutung natürlicher Ressourcen, Ökosysteme und wildlebender Tiere. Sie tragen dazu bei, Konflikte zu verlängern, Friedensprozesse zu untergraben und die organisierte Kriminalität zu fördern.
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Die Schnittstelle zwischen Natur und Sicherheit: Schlüsselpfade
Vier Hauptpfade bilden die Schnittstelle zwischen Natur und Sicherheit. Diese Pfade beschreiben die unterschiedlichen Wege, auf denen Umweltschäden und der Verlust der Artenvielfalt mit Konflikten, Unsicherheit und Frieden interagieren:
Verlust von Ökosystemen und Artenvielfalt, Unsicherheit der Lebensgrundlagen und politische Instabilität
Die Umwelt, Konfliktfinanzierung und organisiertes Verbrechen
Konkurrenz und Konflikte um natürliche Ressourcen
Die Folgen von Krieg und Konflikten für die Umwelt
Die vier Pfade zeigen deutlich, dass sich Umweltkrisen und Unsicherheit oft gegenseitig verstärken. Dieser Teufelskreis macht es schwieriger, Stabilität und Frieden zu erreichen und zu erhalten. Zugleich verstärkt er die Umweltkrisen, denen sich die Menschheit gegenübersieht, vor allem den Verlust der Artenvielfalt und den Klimawandel. Gemeinsam bedrohen sie die grundlegendste Basis der menschlichen Zivilisation: ihr Wohl, ihre Lebensgrundlagen und ihren Frieden.
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Zitat (ohne Anführungszeichen)
Die Studie spiegelt auch die Fortschritte bei der wissenschaftlichen Betrachtung des Sicherheitsbegriffs in den vergangenen 30 Jahren wider. Was jedoch die aktuellen Krisen und Konflikte betrifft, so besteht ein dringender Bedarf an verstärkten Präventionsmaßnahmen und einem Aufbau von Resilienz.
Zitatgeber*in
Lukas Rüttinger
Zitatgeber*in Beschreibung
Senior Advisor und Sicherheitsexperte bei adelphi
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Eine umfassende Agenda für Umweltsicherheit
Die Autor*innen der Studie empfehlen deshalb eine umfassende Agenda für Umweltsicherheit, zu der sich alle Beteiligten im Bereich der Sicherheit, der Umwelt und der Entwicklung verpflichten sollten. Gemeinsame Aktivitäten sollten sich auf die Bekämpfung der Ursachen für Umweltschäden, Artenschwund, Unsicherheit und Konflikte konzentrieren. Die vier Schlüsselpfade des Natur-Sicherheits-Nexus, die identifiziert wurden, können als multidimensionale Ansatzpunkte für zukünftige Maßnahmen dienen, aber auch als mögliche nächste Schritte bei der Formulierung einer umfassenden Umweltsicherheitsagenda. So kann diese Agenda bestehende Aktivitäten und Initiativen zu klimabedingten Sicherheitsrisiken ergänzen.
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Empfehlungen für die UN
Der Bericht enthält mehrere konstruktive Vorschläge für verschiedene Organe, Programme, Finanzierungsinstrumente, Sonderorganisationen und Gremien der UN. So raten die Fachleute beispielsweise dem UN-Sicherheitsrat, die Schnittstelle von Natur und Sicherheit bei Friedensmissionen miteinzubeziehen. Es wird empfohlen, die UN-Vollversammlung institutionell zu stärken, um den Natur-Sicherheits-Nexus durch das gesamte System der UN anzugehen. Das Entwicklungsprogramm (UNDP) sollte seine integrierten Programme, die nachhaltige Entwicklung, Umwelt und menschliche Sicherheit verbinden, weiter stärken. Das Welternährungsprogramm der UN (WFP) könnte zusätzliche Strategien entwickeln, um die Abhängigkeit von Hilfsgütern und Leistungen langfristig zu verringern.