Worauf wir bei der COP29 achten sollten
News vom 11. Nov. 2024
News vom 15. Febr. 2018
Der Munich Security Report 2018, der im Vorfeld der Sicherheitskonferenz veröffentlicht wurde, erkennt deutlich an, dass der Klimawandel als Risikenmultiplikator Bedrohungen in bereits gefährdeten Staaten wie beispielsweise der Sahelzone weiter verstärkt. „Die Sahelzone ist in einem Teufelskreis aus schlechter Regierungsführung, unzureichenden Sicherheitsstrategien, Armut und den Auswirkungen des Klimawandels gefangen. Eine immer größere Unsicherheit in der Region ist die Folge“, wird UN-Generalsekretär António Guterres in dem Bericht zitiert.
Janani Vivekananda (adelphi) arbeitet seit mehr als 12 Jahren im Themenbereich Klima und Sicherheit. „Die Münchner Sicherheitskonferenz bietet Entscheidungsträgern einmal mehr die Möglichkeit, Klimaschutzmaßnahmen eine höhere Priorität auf der globalen Sicherheitsagenda einzuräumen. Es ist höchste Zeit, dass der politische Diskurs endlich in konkrete Handlungen überführt wird“, sagt Vivekananda in unserem Interview.
Janani Vivekananda: Das Beispiel des Tschadbeckens zeigt sehr deutlich, welche verheerenden Auswirkungen der Klimawandel auf die Sicherheit der Region hat. Stark schwankende Niederschlagsmengen, -frequenzen und -dauer sind das größte Problem. Etwa 90 Prozent der Bevölkerung der Tschadsee-Region sind Kleinbauern, Fischer oder Viehhirten. Wenn es nicht genug Süßwasser zur Bewässerung der Felder gibt oder die Fischpopulation aufgrund der fallenden Pegelstände des Tschadsees immer weiter zurückgeht, verliert diese Bevölkerung ihre Existenzgrundlage.
Immer mehr Bewohner der Tschadsee-Region leiden an Hunger oder Arbeitslosigkeit, was sie wiederum anfällig macht für Anwerbeversuche nicht-staatlicher bewaffneter Gruppen wie Boko Haram. Je stärker ihre Existenzen bedroht sind, desto eher werden sie sich alternative, verhängnisvolle Wege zur Sicherung ihrer Lebensgrundlage suchen. Dies ist nur ein Beispiel, wie der Klimawandel als Risikenmultiplikator wirken kann. Bereits bestehende Sicherheitsrisiken und Stressoren wie eine schwache Regierungsführung, ein hohes Maß an politischer Ausgrenzung und Ungleichheit werden auf diese Weise weiter verstärkt.
Janani Vivekananda: Die zentralen Faktoren, die den Konflikt in der Region weiter befeuern, insbesondere politische Marginalisierung und Armut, müssen dringend angegangen werden. Ganze Gemeinschaften fühlen sich von ihrer Regierung nicht repräsentiert. Kommunikationsstrukturen müssen verbessert werden und die Anstrengungen zur Integrationsfähigkeit der Gesellschaft intensiviert werden. Um die Armut in der Region zu bekämpfen, müssen der Bevölkerung neue Wege der Existenzsicherung eröffnet werden. Wesentlich ist dabei, dass diese Alternativen klimasicher sind. Sehr häufig sind sie es nicht, was die Frustration und Unsicherheit nur noch verstärkt. Setzt man zum Beispiel auf alternative landwirtschaftliche Methoden, die mittel- bis langfristig von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sein werden, ist der Schaden größer als der Nutzen.
Im Auftrag der G7-Mitgliedsstaaten und in Zusammenarbeit mit lokalen Experten leitet adelphi zurzeit ein Forschungsprojekt, um das vorhandene Wissen mit spezifischen Analysen für Geber- und Durchführungsorganisationen vor Ort zu erweitern. adelphis Arbeit in der Tschadsee-Region basiert auf dem Bericht "A New Climate for Peace", der ebenfalls von den G7-Staaten in Auftrag gegeben wurde. In dem Bericht wurden klimabedingte Fragilitätsrisiken zu ermitteln, die in den kommenden Jahrzehnten eine erhebliche Bedrohung für Staaten und Gesellschaften darstellen werden.
Janani Vivekananda: 2017 wurden bereits einige vielversprechende Fortschritte erzielt. Klimawandel wird in der Resolution 2349 zur Präsenz von Boko Haram in der Tschadsee-Region und einer kürzlich veröffentlichten Erklärung des UN-Sicherheitsrates zur Friedenskonsolidierung in Westafrika sehr deutlich als Sicherheitsrisiko genannt. Allerdings wird diese Erkenntnis auf operationeller Ebene noch nicht berücksichtigt. Konkrete Rahmenbedingungen fehlen ebenso wie die nötige Finanzierung und entsprechende Programme für die Entwicklungsarbeit vor Ort. Die UN-Resolution 2282 zur Erhaltung von Frieden erwähnt Klimawandel kein einziges Mal, im Bericht des Generalsekretärs zur Situation in der Tschadsee-Region findet sich lediglich ein kurzer Verweis auf den "Lake Chad Development and Climate Resilience"- Aktionsplan der Weltbank. Die Herausforderung liegt entsprechend darin, dem politischen Rahmen eine größere Kohärenz und Konsistenz zu verleihen.
Das Thema Klima und Sicherheit ist zwar mittlerweile auf dem Tisch, aber entsprechende Finanzierungszusagen fehlen bisher. Dabei weiß jeder, dass Vorbeugen besser – und billiger – ist als Heilen. Trotzdem wird bisher nur geringfügig mehr für die Bewältigung der negativen Folgen des Klimawandels ausgegeben als zur Bekämpfung von Terrorismus. Terror stellt zwar eine enorme Bedrohung dar, aber die massiven Klimarisiken sollten nicht heruntergespielt werden: 2016 kamen in den OECD-Ländern 265 Menschen durch Terroristen ums Leben. Im gleichen Jahr litten 688,5 Millionen Menschen, 9,3 Prozent der Weltbevölkerung, unter extremer Ernährungsunsicherheit, die durch klimawandelbedingte Ereignisse verschärft wurde, und 24,2 Millionen Menschen wurden infolge schleichender klimawandelbedingter Naturkatastrophen aus ihrer Heimat vertrieben. Es ist an der Zeit, diese Asymmetrie in der Finanzierung zu hinterfragen.
Janani Vivekananda: Der Bericht zur Münchner Sicherheitskonferenz erkennt den Klimawandel klar als globales Sicherheitsrisiko an. Die Konferenz bietet Entscheidungsträgern einmal mehr die Möglichkeit, Klimaschutzmaßnahmen eine höhere Priorität auf der globalen Sicherheitsagenda einzuräumen. Es ist höchste Zeit, dass der politische Diskurs endlich in konkrete Handlungen überführt wird. Wir müssen dringend davon wegkommen, reines Krisenmanagement zu betreiben und stattdessen auf Prävention setzen. Und das heißt: Es müssen die nötigen finanziellen Ressourcen bereitgestellt werden!