Nach Baku - die COP braucht endlich wieder ein Heimspiel
Kommentar von Dennis Tänzler
News vom 05. Sep. 2022
Ein neuer Artikel der Süddeutschen Zeitung stellt „12 große Fragen zum Klimawandel“ an ausgewählte Expert*innen. Auf die Frage „Was wären die dringendsten Anpassungsmaßnahmen in einem Land wie Deutschland?“ durfte adelphi researchs Anpassungsexperte Christian Kind antworten.
„In Deutschland stehen wir an einem Punkt, an dem es eine gesetzliche Grundlage für die Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen braucht. Bund, Länder und Kommunen müssen Klimaanpassung als Gemeinschaftsaufgabe priorisieren, mit allem, was dann dazugehört, und das ist eben nun mal vor allem: die Finanzierung. Die Probleme, die durch Hitze, lange Trockenperioden und Starkregen auf uns zukommen, werden in den kommenden Jahren schlimmer werden. Im Moment reagieren wir hier und da, oft auf freiwilliger Basis. Aber die meisten Menschen haben noch nie etwas von Klimaanpassungsmaßnahmen gehört, und auf dem politischen Radar geht das Thema ebenfalls immer wieder unter – außer es gibt gerade ein überregionales Extremwetterereignis.
Konkret geht es darum, durch so ein Gesetz unter anderem Kommunen zu ermächtigen, mehr Flächen vor Ort für die Anpassung an den Klimawandel bereitzustellen. Also ganz einfach: Eine Fläche ist frei. Was mache ich darauf? Günstigen Wohnraum, den die Menschen auch dringend brauchen? Parkplätze? Sportstätten? Gebäude speichern Wärme, versiegelter Boden verhindert, dass Regenwasser ablaufen kann. Oder erhalte ich im Sinne der Klimaanpassung eine Brachfläche, auf der Kaltluft entstehen kann und Regenwasser besser versickert?
Das klingt nach Entweder-oder, aber es gibt auch multifunktionale Möglichkeiten: Parkplätze und Straßen lassen sich mit speziellem Asphalt versiegeln, der Wasser besser versickern lässt. Bei Gebäuden hat man durch Dachbegrünung die Möglichkeit, bei Starkregen Wasser zurückzuhalten und damit später durch Verdunstung zur Kühlung beizutragen. In Hamburg etwa gibt es Zuschüsse für aktive Dachbegrünung. In Düsseldorf zahlen proaktive Hausbesitzer weniger Abwassergebühren. Aber oft fehlen solche Anreize, und da die Umsetzung erst mal Mehraufwand bedeutet, werden sie in der Breite aktuell kaum umgesetzt. Ein Fenster könnte sich auch im Zuge der Mobilitätswende öffnen. Wenn dort, wo heute Parkplätze sind, bepflanzte Grünflächen für kühlende Nachbarschaftstreffen entstehen, etwa mit Nebelduschen, die ganz feine Wassertropfen versprühen.
Dass alle Gebäude künftig mit konventionellen Klimaanlagen gekühlt werden, hoffe ich nicht. In Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern wird man sicher mehr aktiv kühlen müssen. Aber selbst in einer perfekten Zukunft mit 100 Prozent Ökostrom würden Klimaanlagen trotzdem zur Aufheizung des Mikroklimas beitragen, weil sie warme Luft nach außen transportieren. Das erhöht den Hitzedruck auf all diejenigen, die keine Klimaanlage haben, zum Beispiel auch auf Menschen, die auf der Straße leben.“
Kontakt: kindadelphi [dot] de (Christian Kind) arbeitet als Head of Programme Climate Adaptation beim Klima-Think-and-Do-Tank adelphi research.
Der ausführliche Artikel „12 große Fragen zum Klimawandel … und wie ausgewählte Expertinnen und Experten sie beantworten.“ erschien am 03. September 2022 in der Süddeutschen Zeitung (Ausgabe München, Nord, Bayern, Deutschland, S. 33 / Ressort: Wissen) und ist hier in der Online-Version nachzulesen.
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