Nach Baku - die COP braucht endlich wieder ein Heimspiel
Kommentar von Dennis Tänzler
News vom 30. März 2022
Vom 24. bis 25. März veranstaltete das Zentrum KlimaAnpassung (ZKA) im Auftrag des Bundesumweltministeriums erstmalig die Vernetzungskonferenz „Kommunale Klimaanpassung im Dialog“. Vertreter*innen aus Bund, Land und Kommune diskutierten aktuelle Fragen der Anpassung an die Folgen der Klimakrise.
„Wir stehen vor existenziellen Herausforderungen, die uns vor Augen führen, wie verletzlich unsere Gesellschaft ist“, sagte Umweltministerin Steffi Lemke zu Beginn der ersten Vernetzungskonferenz „Kommunale Klimaanpassung im Dialog“ des Zentrums KlimaAnpassung (ZKA). Damit meinte sie nicht nur den Krieg und das Leiden in der Ukraine oder die Corona-Pandemie, die noch nicht überstanden sei. Die Ministerin betonte auch die ökologischen Krisen – die Klimakrise und das Artensterben –, die aktuell nicht unbedingt im Fokus stünden, aber ebenso existenziell seien: „Ohne gesunde Umwelt entziehen wir uns unserer eigenen Lebensgrundlage. Unsere Sicherheit, unsere Zukunft und die Chance auf ein gutes Leben würden dadurch massiv gefährdet.“
Bundesumweltministerin Steffi Lemke eröffnet die erste Vernetzungskonferenz "Kommunaler Klimaschutz im Dialog" des ZKA.
Hochwasser, Starkregen, Hitzewellen, Dürren, Wasserknappheit – Deutschland sieht sich vermehrt mit diesen und weiteren Klimafolgen konfrontiert. Vor allem seien, so Lemke, die älteren und jüngeren Menschen betroffen, also die vulnerablen Gruppen der Gesellschaft. Deshalb sei es wichtig, sie vor Ort besser vor den Auswirkungen der Klimakrise zu schützen und die Städte und Gemeinden bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Und darum bildeten Klimaanpassung und Risikovorsorge Schwerpunkte der Arbeit des Bundesumweltministeriums (BMUV) in dieser Legislaturperiode. Das spiegele sich auch im neuen Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz wider. Dessen Ziel ist der Schutz und die Wiederherstellung natürlicher Ökosysteme wie Moore, Wälder oder Gewässer, um so einen weiteren Beitrag für den Klimaschutz zu leisten.
Anschließend stellte Umweltministerin Lemke das neue „Sofortprogramm Klimaanpassung“ vor. Es sei der Auftakt für eine systematische, umfassende und vorsorgende Klimaanpassungsstrategie. Das Programm basiert auf drei Säulen: erstens Förderung und Kompetenzaufbau, zweitens Information und Beratung sowie drittens Vernetzung aller relevanten Akteur*innen. Bis 2026 sollen dafür 60 Millionen Euro bereitgestellt werden. Als Schlüsselakteurin soll jede Kommune zukünftig die Klimaanpassung umsetzen können, die zu ihr passt. Darüber hinaus will das BMUV bis Herbst 2023 ein Klimaanpassungsgesetz vorlegen, so Lemke.
Leiter Jens Hasse stellt das Zentrum KlimaAnpassung vor.
Bereits im vergangenen Jahr wurde das Zentrum für KlimaAnpassung im Auftrag des BMUV gegründet. Es wird gemeinschaftlich geleitet vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) und adelphi. Mit seinen praxis- und bedarfsorientierten Beratungsangeboten erleichtert das ZKA Kommunen und sozialen Einrichtungen den Einstieg ins Themenfeld und trägt so zur Entwicklung und Umsetzung einer breit angelegten, vorsorgenden Klimaanpassung in ganz Deutschland bei. Neben Beratung und Fortbildung gehören auch Wissensvermittlung, Vernetzung und Austausch zu den Leistungen des ZKA, die bei der ersten Vernetzungskonferenz zutage traten. Während der Podiumsdiskussion zwischen den Vertreter*innen aus den Ministerien der Bundes- und Landesebene sowie der Kommunalen Spitzenverbände kristallisierten sich diesmal drei große aktuelle Themen zur Klimaanpassung heraus.
Dass in Deutschland bereits viele zukunftsfähige Projekte und Lösungen zur Klimaanpassung gestartet sind, wurde schon in der ersten Fragerunde deutlich. Erwähnt wurden etwa die 2008 verabschiedete Deutsche Klimaanpassungsstrategie (DAS), das Programm „Saubere Luft“ des Verkehrsministeriums oder auch das 3D-Projekt „Digitaler Zwilling“ des Bundesamts für Kartographie und Geodäsie (KKG), bei dem ein dreidimensionales digitales Abbild Deutschlands entstehen soll, das unter anderem zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels eingesetzt wird. Doch der Fülle an Handlungsmöglichkeiten zur kommunalen Klimaanpassung steht offenbar ein Mangel an grundlegenden Informationen für die Kommunen gegenüber.
Die Gäste der Podiumsdiskussion "Vorsorge und Anpassung an die Folgen des Klimawandels auf kommunaler Ebene: Wie können Bund, Länder und Kommunen gemeinsam den Herausforderungen begegnen?"
Daten, Daten und nochmals Daten – bei diesem Thema waren sich alle Beteiligten ziemlich einig. Die Diskussionsteilnehmenden verwiesen insbesondere auf die Verknüpfung verlässlicher Daten für eine wirksame Klimaanpassung. Sei es für die lokale und zeitliche Bewertung der Auswirkungen des Klimawandels, als Indikator für die Wirksamkeit der jeweiligen Maßnahmen oder für den Wissenstransfer darüber zwischen Bund, Land und Kommune. Detlef Raphael, Beigeordneter des Deutschen Städtetags, gab schließlich zu bedenken, dass es bei rund 11.000 Städten und Kommunen hierzulande nicht nur allein auf die Datenfülle ankomme, sondern vor allem auf ihre Qualität. Dabei spiele auch die Künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle. Gerade im Bereich des Katastrophenschutzes seien „vernünftige Lagebilder“ erforderlich. Deshalb äußerte er die „herzliche Bitte“ nach einer interdisziplinären Datenerhebung und sachgerechten Verknüpfung der Daten.
Neben Daten benötigten die Kommunen vor allem Geld, so Raphael: Geld für die Klimaanpassung und für ausreichend Personal, so zum Beispiel für lokale Klimaschutz- und Klimanpassungs-Manager*innen. Die Finanzierung und Förderung von kommunalen Klimaanpassungsmaßnahmen sollte daher nicht nur gestärkt werden, sondern auch unbürokratisch gestaltet sein. „Sie wissen auch, dass die Finanzierung von Personal durch den Bund an verfassungsrechtliche Grenzen stößt“, erwiderte wiederum Susanne Lottermoser, Abteilungsleiterin im BMUV. Komplizierte Förderrichtlinien und unterschiedliche Förderanforderungen hingen auch mit den Förderprogrammen der einzelnen Ressorts zusammen. Gleichwohl wolle die Bundesregierung das „Problem von Personaldefiziten in den Kommunen und Ländern“ angehen.
Natürlich wolle das Bundesumweltministerium auch die Planung und Umsetzung von Klimaanpassungsprozessen beschleunigen. Jedoch müsse der Bund den Planungsrahmen vorgeben, um alle Handlungsfelder und Interessen abzudecken, so Lottermoser. „Es braucht einheitliche Rahmenbedingungen, auch wenn sich die Gestaltung dabei als schwierig erweist, da der Klimawandel keine Grenzen kennt“, stimmte Vera Moosmayer, Unterabteilungsleiterin für Raumordnung im Bundesinnenministerium, überein. Das bundesweit erste Klimaanpassungsgesetz wurde übrigens im Juli 2021 vom nordrhein-westfälischen Landtag verabschiedet und „als Aufgabe der Daseinsvorsorge“ erklärt, bemerkte Viktor Haase, Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium: „Es fand große Resonanz in der Öffentlichkeit und bei den Kommunen.“
Panoramablick auf die Stadt Barcelona
„Genießen wir naturbasierte Lösungen!“, schlussfolgerte Birgit Georgi am Ende ihres Themenvortrags „Natur als Partner: Klimaschutz und Klimaanpassung durch naturbasierte Lösungen stärken“. Georgi ist europäische Beraterin für Klimaanpassung und war unter anderem jahrelang für die Europäische Umweltagentur (EEA) in Kopenhagen tätig. Grundsätzlich sind naturbasierte Lösungen laut EEA das Konzept, mit der Natur als Werkzeug zu arbeiten, um gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen. Vegetation und Gewässer, die Ingenieurbiologie oder nachhaltige Ent- und Bewässerungssysteme sind nur einige Beispiele hierfür. Zudem wirken sich naturbasierte Lösungen auch positiv auf die Biodiversität, Luftreinhaltung, sozialen Interaktionen oder Gesundheit aus. Würde man all diese Faktoren in die Waagschale werfen, würden die Vorteile der Klimaanpassung die Kosten allemal übertreffen, merkte Georgi an.
Die Expertin präsentierte außerdem einige Paradebeispiele für gelungene Klimaanpassung mithilfe naturbasierter Lösungen: Denn sowohl die dänische Hauptstadt als auch Barcelona haben das multifunktionale Potenzial naturbasierter Lösungen bereits für sich genutzt. So hat die katalanische Metropole viele Bäume und Vegetation in die Stadtentwicklung integriert. Sie reduzieren die Wärmeaufnahme versiegelter Flächen, senken die Lufttemperatur durch Verschattung und Verdunstungskälte und können frische Luft in die Stadt bringen. Und in Kopenhagen: Nur ein Jahr nach dem extremen Starkregenereignis von 2011 führte die Stadt einen Starkregenplan (Cloudburst Management Plan) ein. Dieser umfasst ein System von 300 gekoppelten Maßnahmen und ist ein Ableger des Kopenhagener Klimaanpassungsplans.
„Klimaanpassung darf nicht mehr nur die kleine Schwester des Klimaschutzes sein“, sagte Ulf Kämpfer, Kiels Oberbürgermeister und stellvertretender Präsident des Deutschen Städtetags. Beide müssten gleichrangig behandelt werden. In die gleiche Kerbe schlug auch Experte Raphael; die zwei Themen sollte man gemeinsam denken und nicht gegensätzlich. Schließlich erfordert die Bewältigung der Auswirkungen der Klimakrise in den Kommunen eine koordinierte und verbesserte Zusammenarbeit auf allen politischen Ebenen. „Das Thema Klimaanpassung muss interdisziplinär und über alle Fachbereiche hinweg angegangen werden. Von daher finde ich es sehr gelungen, wie wir es heute hier machen“, so Raphael.
Die nächste Vernetzungskonferenz „Kommunale Klimaanpassung im Dialog“ des Zentrums KlimaAnpassung wird voraussichtlich im Herbst 2022 stattfinden.
Podium:
Moderiert wurde die Veranstaltung von der Journalistin Astrid Frohloff.
Der zweite Konferenztag diente der gezielten Vernetzung und dem kollegialen Austausch zwischen Vertreter*innen der Kommunen und war nicht öffentlich. Anmelden konnten sich Klimaanpassungsmanager*innen sowie kommunales Personal mit ähnlichen Aufgaben.
Die Vernetzungskonferenz bot zudem weitere Angebote zur Information und Vernetzung. So stellten Institutionen und Verbände ihre Beratungsangebote, Produkte und Projekte auf virtuellen Informationsständen vor und standen für Gespräche zur Verfügung.
Besuchen Sie die Website des ZKA für weitere Informationen.