Woche der Klimaanpassung: Die Vielfalt der Klimaanpassung sichtbar machen
News vom 10. Sep. 2024
Meinungsbeitrag von Julia Rohe-Frydrych & Luis Ebert
Egal an welchen Punkt der Wertschöpfungskette man schaut: Unsere globale Wirtschaft zerstört die ökologischen Reichtümer unseres Planeten. Kein Wunder also, dass viele Menschen glauben, Naturschutz und privatwirtschaftlicher Handel schließen sich kategorisch aus. Seit einigen Jahren schon vertreten manche Naturschützer und Ökonomen die These, dass Unternehmen ohne biologische Vielfalt langfristig nicht überleben können.
Der Schutz der Biodiversität sollte allerdings nicht der konventionellen Geschäftslogik unterworfen werden. Vielmehr sollten wir damit anfangen, Biodiversität als eigenes Geschäftsfeld zu sehen. Die beste Therapie für unseren kränkelnden Planeten besteht darin, lokale Unternehmen zu stärken, die aus dem Schutz und der Regeneration der Natur Profit schlagen und lokale Gemeinschaften in ihre Wertschöpfungsketten integrieren.
Der aktuelle Diskurs zum Thema Wirtschaft und Biodiversität greift zu kurz. Im Wesentlichen zirkulieren in der Debatte drei Fragestellungen: 1) Wie können Unternehmen dazu motiviert werden, grüner und biodiversitätsfreundlicher zu wirtschaften? 2) Wie können große Naturschutzprojekte mit privatem Geld finanziert werden? 3) Wie kann der wirtschaftliche Wert der Artenvielfalt bestimmt und die Natur durch wirtschaftliche Anreize geschützt werden?
Punkt 1 scheint zum Scheitern verurteilt. Unter den vielen symbolträchtigen und werbewirksamen Greenwashing-Aktionen sind authentische Nachhaltigkeitsmaßnahmen so schwer zu finden wie eine Nadel im Heuhaufen. Stattdessen findet man Ölkonzerne, die gönnerhaft vernachlässigbare Summen für Säuberungsprogramme in Regionen bereitstellen, die sie selbst zuvor zerstört haben; Fast-Fashion-Firmen, die umweltorientierte Stiftungen gründen während sie gleichzeitig die maritimen Ökosysteme mit giftigen Mikrofasern überschwemmen; und Fischerei- und Holzunternehmen, die mit verwässerten Artenschutzzertifikaten werben und weiter munter die weltweiten Ökosysteme ausbeuten.
Was Punkt 2 anbelangt, so wären astronomische Summen privater Naturschutzfinanzierung notwendig, um tatsächlichen Wandel zu bewirken. Einer Schätzung von Credit Suisse zufolge müsste die jetzige Finanzierung um das 20- bis 30-Fache steigen, um die geschätzten jährlichen Kosten von 300 bis 400 Milliarden US-Dollar zum Schutz der weltweiten Artenvielfalt zu decken. Da die wenigsten Biodiversitätsprojekte Profit erwirtschaften, haben private Akteure verständlicherweise wenig Interesse an deren Finanzierung. Aber selbst, wenn sie genügend Mittel bereitstellen würden, bliebe der begründete Zweifel an der langfristigen Wirkung vieler Naturschutzvorhaben.
Theoretisch ist es sinnvoll, den ökonomischen Wert der Biodiversität . Allerdings konnten ambitionierte Programme und Konzepte wie REDD+ oder Zahlungen für Ökosystemleistungen (PES) bisher noch keine wesentlichen positiven Auswirkungen auf die Biodiversität nachweisen. Einige Stimmen machen diese Ansätze sogar für ein verlorenes Jahr des globalen Waldschutzes verantwortlich.
Wie also können wir den Schaden beheben, den wir verursacht haben? In unserer kapitalistischen Wirtschaftsordnung müssen wir Wege finden, marktbasierte Lösungen und den Schutz der Biodiversität in Einklang zu bringen. Die wichtige Rolle lokaler Biodiversitäts-Unternehmen wird dabei häufig übersehen: Diese Akteure entwickeln innovative Geschäftsmodelle und haben eine intrinsische Motivation, die lokale Tier- und Pflanzenwelt zu erhalten. Biodiversitäts-Unternehmen sind Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen (KKMU), die lokal verankert sind und mithilfe marktbasierter Mechanismen artenreiche Ökosysteme schützen, managen und wiederherstellen. Diese Unternehmen sind wirtschaftlich nachhaltig und integrieren lokale Gemeinschaften und marginalisierte Gruppen in ihre Wertschöpfungsketten. Sie zeigen damit, dass man sich nicht zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und dem Schutz der Ökosysteme entscheiden muss.
Aber wie genau kann das funktionieren? Biodiversitäts-Unternehmen haben das Rad nicht neu erfunden. Während andere Geld damit machen, die Natur zu zerstören, generieren diese Unternehmen Umsätze damit, die Umwelt zu schützen und Lebensräume zu erhalten. In Gegenden, wo sich invasive Arten unkontrolliert vermehren, haben sich Unternehmen beispielsweise darauf spezialisiert, Produkte wie etwa Öle (1) aus eben diesen Pflanzen herzustellen. Dadurch tragen sie zum Erhalt der Biodiversität bei und erwirtschaften gleichzeitig unternehmerischen Gewinn. Unternehmen, die in hochgradig diversen Ökosystemen wie etwa Regenwäldern beheimatet sind, bilden Partnerschaften mit indigenen Gemeinschaften und lokalen Bauern, um medizinische Pflanzen, Kräuter (2) und Honig (3) nachhaltig anzubauen, einzukaufen und zu verarbeiten. Die Gewinnung von Rohmaterialien und faire Preise gehen dabei Hand in Hand. Baumschulen, die sich auf den Anbau von dürreresistenten Baumsorten (4) in trockenen Regionen spezialisiert haben, erwirtschaften Einnahmen und tragen gleichzeitig zur Aufforstung bzw. der Wiederherstellung zerstörter Ökosysteme bei.
GESCHÄFTSMODELL
Ikusasa widmet sich der Kartierung, Identifizierung, dem Entfernen und Verarbeiten invasiver Pflanzenarten sowie dem Verkauf von aus diesen Pflanzen hergestellten Produkten in Südafrika.
POSITIVE GESELLSCHAFTLICHE WIRKUNG
Schaffung von zusätzlichen 14 lokalen Arbeitsplätzen, 65 % davon Frauen.
POSITIVE UMWELTWIRKUNG
In den ersten 6 Monaten seit Betriebsstart wurden bereits über 100ha von invasiven Pflanzenarten befreit. Dadurch können sich die lokalen Ökosysteme erholen und die Qualität des Grundwassers hat sich verbessert.
GESCHÄFTSMODELL
Muthi Futhi hat sich auf den Anbau und die Verarbeitung bedrohter heimischer Medizinpflanzen spezialisiert. Das Unternehmen ist im Besitz einer südafrikanischen ländlichen Gemeinde und verkauft seine pflanzlichen Produkte an Kunden in der ganzen Welt.
POSITIVE GESELLSCHAFTLICHE WIRKUNG
Unbefristete Arbeitsplätze für 30 Frauen in Gemeinschaften mit 300 Personen.
Die Gemeinschaft erhält 50% der Gewinne.
POSITIVE UMWELTWIRKUNG
Wildwachsende heimische Medizinpflanzen werden vor dem Aussterben geschützt, indem diese Pflanzen gezielt angebaut werden.
GESCHÄFTSMODELL
Das Unternehmen schult Bäuerinnen und Bauern in der Region Bono in Ghana darin, Bienenzucht in ihre landwirtschaftliche Betriebe zu integrieren und kauft ihre Erzeugnisse auf, um sie weiter zu vertreiben.
POSITIVE GESELLSCHAFTLICHE WIRKUNG
Über 200 Auszubildende wurden engagiert.
Über 1000 Bäuerinnen und Bauern wurden in nachhaltiger Bienenzucht geschult.
Zusätzliche Einnahmen für die teilnehmenden Landwirte wurden generiert
POSITIVE UMWELTWIRKUNG
Über 1000 aktive Bienen erhöhen die Diversität der natürlichen Flora und Fauna des Ökosystems.
Die Bauern werden in der Schulung dazu angehalten, keine Chemikalien zu verwenden.
GESCHÄFTSMODELL
Das Unternehmen verkauft hybride ertragreiche Cashewbaum-Setzlinge, die früh Früchte tragen, an lokale Kundinnen und Kunden im westlichen Sambia, das stark von Abholzung betroffen ist.
POSITIVE GESELLSCHAFTLICHE WIRKUNG
26 lokale Arbeitsplätze.
Bis zu >1300$ Mehreinnahmen jährlich für die Bäuerinnen und Bauern.
POSITIVE UMWELTWIRKUNG
Lokalen Bauern wurden 3000 dürreresistente fruchttragende Bäume zur Verfügung gestellt, die jährlich 144.000 Tonnen CO2 absorbieren.
Zwar gibt es immer mehr Bestrebungen, international finanzierte Biodiversitätsprojekte inklusiver zu gestalten (z.B. durch das gemeinschaftliches Waldmanagement von staatlicher Forstverwaltung und lokalen Waldnutzern), doch die meisten konventionellen Naturschutzprojekte verfolgen weiter den Ansatz, lokalen Gemeinschaften den Zugang zu bis dahin von ihnen genutzten natürlichen Ressourcen zu verwehren, um deren Schutz sicherzustellen. Dadurch werden Gemeinschaften in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung gebremst, was häufig Konflikte mit der lokalen Bevölkerung zur Folge hat, die sich von gesichtslosen Organisationen aus der Ferne regiert und abgekanzelt sehen. In den Fällen, in denen in konventionellen Naturschutzprojekten auf lokaler Ebene Arbeitsplätze geschaffen werden, sind diese meist auf die Dauer des Projekts begrenzt. Biodiversitäts-Unternehmen verfolgen eine entgegengesetzte Strategie: Sie sind vor Ort entstanden und gewachsen, die lokale Bevölkerung kennt und akzeptiert sie, und die geschaffenen Arbeitsplätze sind auf Dauer angelegt. Die Mitglieder der lokalen Gemeinschaft stehen mit den Unternehmen als Angestellte, Kunden oder Händler in Beziehung und es werden erhebliche Spillover-Effekte für benachbarte Dörfer und Städte erzielt.
Biodiversitäts-KKMU sind noch deutlich davon entfernt, ein global etabliertes Geschäftsmodell zu sein. Neben den Herausforderungen, mit denen KKMU in einkommensschwachen Volkswirtschaften generell konfrontiert sind – fehlende Finanzierungsmöglichkeiten und mangelnde politische Unterstützung – haben Biodiversitäts-Unternehmen zusätzlich das Problem, dass sie von den wichtigen Akteuren im Bereich Biodiversität nicht ausreichend gesehen und anerkannt werden. Viele schaffen es nicht bis zur Marktreife. Kleine Unternehmen haben nicht die gleichen Ressourcen zur Verfügung wie große Biodiversitäts-Projekte, verfügen über keine ausgeklügelten Wirkungsmatrizen oder hochpräzise Indikatoren-Verfolgung. Dadurch, dass sie ihre Wirkung nur unzureichend messen und darüber Bericht erstatten können, werden sie von bestehenden Programmen zur Finanzierung und Unterstützung von Biodiversität ausgeschlossen, da diese in der Regel für große, international zertifizierte Wirtschaftsakteure konzipiert sind. Es ist eine verkehrte Welt, in der lokale Biodiversitäts-KKMU darum kämpfen, Unterstützung zu bekommen, um ihre naturschutzzentrierten Geschäftsmodelle zu skalieren – während konventionelle Unternehmen mit Mitteln, die zum Schutz der Natur gedacht sind, nebenbei umweltfreundliche Produkte auf den Markt bringen, dabei aber ihr schädliches Kerngeschäft weiter fortführen.
Um das volle Potenzial der Biodiversitäts-Unternehmen auszuschöpfen, muss es einen Paradigmenwechsel im internationalen Naturschutz geben. Die Lösung darf nicht sein, schlecht geplante und zeitlich befristete Biodiversitätsprojekte durchzuführen, den Schutz der Artenvielfalt in zu kurz gedachten Ansätzen in konventionellen Geschäftsmodellen zu verankern oder Ökosysteme und zu bepreisen, um aus ihnen damit einen weiteren Posten in der Bilanz von Unternehmen zu machen. Die Finanzierung des Naturschutzes durch den privaten, öffentlichen und Nicht-Regierungs-Sektor muss wesentlich stärker werden. Aber lokale privatwirtschaftliche Akteure müssen ebenfalls Zugang zu Finanzierung bekommen, da sie am besten wissen, wie lokale Probleme angegangen werden müssen und wie sie es erreichen, dass die lokalen Gemeinschaften mitziehen. Zwar haben bereits einige Geldgeber, die sich auf Biodiversitäts-Unternehmen konzentrieren, wie etwa CI Ventures und Mirova, erste vielversprechende Schritte in diese Richtung getan, doch ihr Budget und die Zahl der Begünstigten ist noch marginal. Auf nationaler Ebene müssen politische Entscheidungsträger den Biodiversitäts-Unternehmen dabei helfen, zu wachsen und ihre Wirkung zu skalieren. Lokale, in die Gemeinschaft eingebettete Geschäftsakteure sind der Schlüssel zu einem erfolgreichen Schutz der Artenvielfalt. Es ist an der Zeit, dass Biodiversitäts-Unternehmen die Anerkennung und Unterstützung bekommen, die ihnen zusteht.
Dieser Beitrag erschien am 15. Oktober 2021 in IDN – InDepthNews.
Julia Rohe-Frydrych ist Senior Manager & Co-Lead Green Entrepreneurship bei adelphi. Ihr fachlicher Schwerpunkt liegt auf den Themen Green Entrepreneurship, grüne und inklusive Geschäftsmodelle sowie Klima- und grüne Finanzierung. Julia Rohe-Frydrych beschäftigt sich vor allem mit innovativen Ansätzen, die nachhaltig wirtschaftende Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern unterstützen und skalieren sowie ihnen Zugang zu Finanzierung eröffnen. Sie ist überzeugt, dass lokal verankerte, grüne und inklusive Geschäftsmodelle am besten in der Lage sind, die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort nachhaltig zu verbessern und die natürlichen Ressourcen zu bewahren.
Luis Ebert ist Analyst in adelphis Green Entrepreneurship-Team. Gemeinsam mit seinem Team unterstützt er grüne und sozial wirtschaftende Unternehmen. Als Enterprise Support Adviser bei SEED beschäftigt er sich damit, das volle Potenzial nachhaltiger und inklusiver Unternehmensmodelle in Schwellen- und Entwicklungsländern zu analysieren, zu erschließen und bekannt zu machen. Die Herausforderungen des Klimawandels und der Umweltzerstörung erfordern aus seiner Sicht eine paradigmatische Verlagerung der Aufmerksamkeit hin zu den grünen Lösungen und den sozioökonomischen Effekten, die kleine und mittlere Unternehmen erzielen.