Worauf wir bei der COP29 achten sollten
News vom 11. Nov. 2024
Meinungsbeitrag von Dr. Beatrice Mosello & Dr. Adam Day
Bis vor kurzem mag diese Frage noch wie Science-Fiction geklungen haben, doch inzwischen ist das eine sehr reale Möglichkeit. Der Konflikt zwischen Äthiopien und Ägypten um die Nilnutzung spitzt sich zu: Die Aufstauung des Flusses und veränderte Wettermuster bedrohen die Existenz beider Länder. In der Sahelzone in Nord- und Zentralafrika haben klimabedingte Veränderungen der pastoralistischen Lebensweise dazu beigetragen, bestehende Spannungen zu verschärfen, während der unvorhersehbare Wasserstand des Tschadsees die Rekrutierungen durch die Terrorgruppe Boko Haram begünstigt. Von der Korallenbleiche, die Fischergemeinden in der Karibik in die organisierte Kriminalität treibt, bis hin zur Dürre, die dem Bürgerkrieg in Syrien vorausging: Immer mehr Indizien deuten darauf hin, dass die Klimakrise maßgeblich an aktuellen gewaltsamen Konflikten beteiligt ist – und sich das in den kommenden Jahren nur noch weiter verschärfen wird.
Wie können die Vereinten Nationen – eine Organisation, die mit dem Ziel gegründet wurde, Kriege wie die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu verhindern – sich umgestalten, um den zunehmenden klimawandelbedingten Sicherheitsrisiken zu begegnen? Die UN muss sich als Antwort auf das Thema Klimasicherheit drei Anpassungen unterziehen: (1) von Sektoren zu Systemen, (2) von Exklusivität zu Inklusion und (3) von Souveränitätsrechten zu globalen Gemeinschaftsgütern. Insgesamt erfordert dies einen Wandel der UN von einem exklusiven Club mächtiger Staaten, der Entscheidungen hinter verschlossenen Türen trifft, hin zu einem Zentrum, das verschiedene Akteure auf lokaler, regionaler, nationaler und globaler Ebene zusammenbringt.
Die Vereinten Nationen bestehen aus einer Reihe von lose miteinander verbundenen Unter-Organisationen, die sich in der Regel einem bestimmten Thema wie Flüchtlinge, Ernährung, Gesundheit, Migration oder Umwelt widmen. Obwohl es konkrete Anstrengungen gibt, diese Akteure für gemeinsame Anliegen – wie die Ziele für nachhaltige Entwicklung und die universellen Menschenrechte – zusammenzuführen, operiert die UN weiterhin weitgehend auf Basis sektoraler Ansätze für Risiken. Infolgedessen sind die Programme überwiegend an das Mandat einer einzelnen Organisation gebunden. Dadurch sind ihre Informationsquellen oft voneinander isoliert, der Austausch ist gehemmt und die organisationsübergreifende Zusammenarbeit erschwert.
Die Klimakrise kommt jedoch bei all diesen Themen zum Tragen. Sie verschärft die zugrunde liegenden sozioökonomischen Spannungen und trägt auf indirekte Weise zum Risiko von Konflikten bei.
Unregelmäßiger Niederschlag führt zu Ernteausfällen und damit zu zunehmenden Konflikten um natürliche Ressourcen. Wetterextreme zerstören Ackerland und vertreiben ganze Völkergruppen aus ihrer Heimat. Dadurch werden Land-Konflikte angeheizt und ungesteuerte Urbanisierungsprozesse vorangetrieben.
Diese wechselseitige Abhängigkeit zwischen Klimakrise und Sicherheitsrisiken sollte innerhalb der UN einen Wandel hin zu einer systemischen Denkweise herbeiführen. Das bedeutet, dass einerseits eine bereichsübergreifende Analyse nötig ist, die unterschiedliche Informationsquellen zusammenführt, und andererseits wirksame Methoden etabliert werden müssen, um mehrstufige Risikoanalysen durchzuführen, bei denen lokale, nationale, regionale und globale Trends gemeinsam untersucht werden. Kurz gesagt heißt das, in komplexen Systemen und nicht in einzelnen Sektoren zu denken.
Bei ihrer Antwort auf die Klimakrise ergreifen nationale Regierungen vielfach ungeeignete Anpassungsmaßnahmen (Maladaption), die die Gefahr eines Konflikts verstärken, anstatt sie zu verringern. Angesichts enormer Landverluste infolge extremer Wetterbedingungen gewinnt eine Regierung dem Meer vielleicht Land ab (z. B. in Bangladesh) oder investiert in neue landwirtschaftliche Sektoren (z. B. in Nigeria), ohne dabei zu bedenken, wie diese Maßnahmen neuen Wettbewerb um Land schaffen, bestehende Lebensgrundlagen zerstören oder demografische Veränderungen herbeiführen können. Und es zeigt sich eindeutig, dass die Unterstützung durch die UN für staatlich geführte Entwicklungs- und Friedenskonsolidierungsprogramme sehr anfällig dafür ist, von Eliten vereinnahmt zu werden, was möglicherweise genau die Ungleichheiten verstärkt, die eine der Hauptursachen für gewaltsame Konflikte sind.
Wenn die UN die wachsende Herausforderung der Klimasicherheit angehen möchte, muss sie Inklusion (d. h. den gleichberechtigten Zugang zu Chancen und Ressourcen für Menschen, die ansonsten ausgegrenzt oder marginalisiert werden) in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen. Der Fonds der Vereinten Nationen für Friedenskonsolidierung macht seine Unterstützung abhängig von der Geschlechtergleichstellung. Dies sollte auch für andere marginalisierte Gruppen gelten, indem die UN von Regierungen fordert, Inklusion in ihren nationalen Programmen sicherzustellen und eindeutig nachzuvollziehen, ob Mittel von einer kleinen Elite vereinnahmt werden.
Obwohl kohlenstoffintensiver Konsum nicht nachhaltig ist, gehen wir mit der Natur weiterhin um, als wäre sie ein Rohstoff, der zum Nutzen von menschlichen Gesellschaften ausgebeutet werden kann. Die Kommodifizierung von Natur gefährdet jedoch nicht nur die Existenz der Menschheit, sondern verschärft auch Konflikte, da Staaten und Gesellschaften um immer knapper werdende natürliche Ressourcen konkurrieren oder sie auf eine Weise nutzen, die negative Auswirkungen auf andere hat.
Die UN muss sich dafür einsetzen, dass die Natur sowohl als ein globales Gemeinschaftsgut als auch als wesentlicher Bestandteil unserer Friedens- und Sicherheitsarchitektur behandelt wird. Wie die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie eindringlich gezeigt haben, entscheiden kollektive Antworten oftmals über Leben oder eine Vielzahl an Todesfällen. Im vergangenen Jahr hat die UN-Generalversammlung eine Resolution zu unserer gemeinsamen Agenda verabschiedet, in der sie sich zu „transformativen Maßnahmen“ zur Bekämpfung des Klimawandels verpflichtet hat.
Um dies umzusetzen, muss die Umwelt innerhalb des multilateralen Systems neu positioniert werden.
Das kann unterschiedliche Formen annehmen. Ecuador hat die Natur zu einer juristischen Person gemacht, sodass in ihrem Namen Klagen wegen Umweltschäden vorgebracht werden können. Im Mai urteilte ein Gericht, dass Royal Dutch Shell (der weltweit neuntgrößte Emittent von CO2) die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens einhalten und seine Emissionen weltweit um 45 Prozent reduzieren muss. Die Regierung von Joe Biden betrachtet den Klimaschutz als Gegenstand nationaler Sicherheit und verleiht damit dem Zusammenhang zwischen Klima und Sicherheit echtes Gewicht und klare Priorität. Darüber hinaus gibt es interessante und dynamische Vorschläge, den UN-Treuhandrat in einen Hüter der Umwelt zu verwandeln und einen Hochkommissar für zukünftige Generationen zu schaffen, der die Aufgabe hat, die Umwelt in den nächsten 100 Jahren zu schützen.
Unabhängig davon, welcher Weg eingeschlagen wird, sollte sich die UN mit allem Nachdruck dafür einsetzen, dass die Natur vom westfälischen Modell der souveränen Staaten ausgenommen wird, und gemeinsame Klimaschutzmaßnahmen vorantreiben. Ebenso wie die Gründungsstaaten der Vereinten Nationen vor 75 Jahren zusammenkamen, um ein multilaterales System auf Grundlage gemeinsamer Sicherheitsstrategien zu schaffen, muss die UN nun ihre Institutionen hinsichtlich gemeinsamer Maßnahmen zur Klimasicherheit umgestalten. Dieser Wandel könnte die UN von einem, hierarchischen Club mächtiger Staaten zu einem Zentrum machen, das zwischen Akteuren auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene vermittelt, um Frieden zu fördern.
Dies ist eine aktualisierte Fassung des Meinungsbeitrags, der erstmals am 13. Juli 2021 auf IPS erschienen ist.
Dr. Beatrice Mosello ist Senior Advisor bei adelphi, mit mehr als zehn Jahren Erfahrung in den Bereichen Klimadiplomatie, Konflikte und Ressourcen sowie Geschlecht und gesellschaftliche Teilhabe. In dieser Funktion beschäftigt sie sich insbesondere mit Kooperationen in der Wasserpolitik, der Anpassung an den Klimawandel und mit Klimakonflikten. Das Ziel ihrer Arbeit ist die Förderung von Frieden sowie von wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung.
Dr. Adam Day ist Director of Programmes am United Nations University Centre for Policy Research, wo er laufende Forschungsprojekte und die Entwicklung neuer Programme betreut. Vor seiner Tätigkeit an der UNU war Dr. Adam Day zehn Jahre lang bei den Vereinten Nationen tätig, wo er sich auf Friedenseinsätze, politisches Engagement in Konfliktsituationen, Mediation und den Schutz der Zivilbevölkerung konzentrierte, unter anderem in der Demokratischen Republik Kongo, im Libanon und im Sudan. Er hat zahlreiche Publikationen zu den Themen Klimasicherheit, internationales Strafrecht, Konfliktprävention und Friedenserhaltung sowie Rechtsstaatlichkeit in Postkonfliktsituationen verfasst.