Die fünfte Verhandlungsrunde zum globalen Plastikabkommen: Chancen und Hindernisse
News vom 19. Nov. 2024
Insight von Dennis Tänzler
Von beispiellosem Hochwasser im Yellowstone-Nationalpark zu historischen Bränden im direkten Umland von London: Der Klimawandel hat in diesem Sommer wieder einmal das Leben vieler Menschen in den Vereinigten Staaten und in Europa direkt verändert. Doch der Klimawandel beeinträchtigt noch immer überproportional verwundbare Länder, die am wenigsten zum Problem beigetragen haben, eine Tatsache, die beispielsweise die fortdauernden Flutkatastrophen in Pakistan und im Sudan niederschmetternd deutlich machen. Dort haben mehr als 30 Millionen Menschen ihre Heimat verloren, und Krankheiten und um sich greifende Hungersnöte drohen weitere Opfer zu fordern.
Fast 30 Jahre lang haben die am wenigsten entwickelten und verwundbarsten Staaten nach finanzieller und technischer Unterstützung für Verluste und Schäden (loss and damage) durch Klimawandelfolgen gerufen. Leider haben die Vereinigten Staaten und die Länder Europas – die für mehr als 40 Prozent der historischen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind – diese Rufe bislang nicht beantwortet. Das hat zu einem großen Vertrauensverlust geführt, der nationale Klimaverpflichtungen und globale Ziele zu untergraben droht.
Nun, da die Klimakatastrophe immer stärkere Auswirkungen hat, ist es mehr als an der Zeit für wohlhabende Nationen, ein Paket an Lösungen zu schnüren, die Verluste und Schäden direkt angehen. Diesen November treffen sich Staatschefs im ägyptischen Scharm el-Scheich zur Weltklimakonferenz (United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) conference, COP27); eine Gelegenheit, genau das zu tun.
Das Konzept der Verluste und Schäden, das erstmals 1991 im Kontext des UNFCCC von dem kleinen Inselstaat Vanuatu eingeführt wurde, kann im weitesten Sinn als der Schaden verstanden werden, der durch die sichtbaren Folgen und die prognostizierten Risiken des Klimawandels verursacht wird – sowohl ökonomisch als auch nicht-ökonomisch, kurz- ebenso wie langfristig. Doch obwohl verwundbare Länder immer wieder nach Unterstützung gerufen haben, zeigten sich wohlhabende Nationen, besonders die Vereinigten Staaten, bislang nicht willens, konkrete Diskussionen über einen Dialog zu Verlusten und Schäden zu führen, weil sie rechtliche Verpflichtungen scheuen. Diese Angelegenheit sollte mit dem Pariser Übereinkommen von 2015 erledigt sein. Darin ist festgelegt, dass die vereinbarte Wortwahl, die die Bedeutung von Verlusten und Schäden anerkennt, keine Basis für rechtliche Verantwortlichkeit oder Kompensationsverpflichtungen ist. Die Blockade der wohlhabenden Länder hat dazu geführt, dass der Fortschritt multilateraler Verhandlungen bei diesem Thema sehr begrenzt ist, und bis heute gibt es nur bruchstückhafte Ansätze.
Im vergangenen Jahr trafen die Führer*innen vulnerabler Länder mit höheren Erwartungen an konkrete Aktionen bei der COP26 in Glasgow ein. Doch nachdem die Vereinigten Staaten und die Europäische Union Rufe nach einer Einrichtung zur Finanzierung von Verlusten und Schäden blockierten, bekamen die verwundbarsten Länder wieder nur einen weiteren Dialogmechanismus und kleine, wenn auch symbolisch bedeutsame, finanzielle Selbstverpflichtungen von der schottischen Regierung und Wallonien.
Nachdem kaum noch Schwung in der Debatte ist, versuchte Dänemark, sie im vergangenen Monat dadurch wiederzubeleben, dass das Land 13 Millionen Dollar für Aktivitäten im Zusammenhang mit Verlusten und Schäden versprach. Diese Selbstverpflichtung wirkt in Übereinstimmung mit Deutschlands Globalem Schutzschirm gegen Klimarisiken, einem Schlüsselelement der G7-Präsidentschaft der Bundesrepublik. Die Initiative baut auf einer Versicherungspartnerschaft in Zusammenarbeit mit einigen der verwundbarsten Ländern auf, ein Ansatz, den die deutsche Regierung bereits verfolgt.
Während der Globale Schutzschirm ein guter Anfang sein mag, muss auf seiner Substanz auf der COP27 weiter aufgebaut werden. Und leider hinken die Vereinigten Staaten ihren G7-Partnern hinterher; während die Biden-Regierung ihre Bemühungen um Klimawandelminderung und -anpassung verstärkt, gibt es einen deutlichen Mangel an politischem Willen bei führenden Köpfen in der Regierung und im Kongress – und einen Mangel an generellem Bewusstsein –, zu Verlusten und Schäden aktiv zu werden.
Die maledivische Insel Kudahuvadhoo
Vor diesem Hintergrund müssen die wohlhabenden Länder mit einem umfassenden Paket auf der COP27 ankommen, das Finanzierung und politische Maßnahmen für Verluste und Schäden enthält. Der Anfang sollte sein, dass es sicherstellt, dass Verluste und Schäden schnell Teil der offiziellen – nicht der vorläufigen – UNFCCC-Agenda werden und dass der dreijährige Zeitplan zur Entscheidungsfindung, der im Glasgower Dialog für die Mittelbeschaffung vorgesehen war, beschleunigt wird.
Doch selbst wenn alle sich auf diese Punkte einigen, ist nicht zu erwarten, dass die COP27 eine Entscheidung zum Kernpunkt einer Finanzierungseinrichtung für Verluste und Schäden treffen wird. Solange es keinen Konsens gibt, stehen weitere Ansätze zur Verfügung, mit deren Hilfe wohlhabende Nationen in Sachen Verluste und Schäden wirksam vorankommen können.
Ein möglicher Kompromiss könnte dem Beispiel eines globalen Solidaritätsfonds folgen, mit den schottischen und dänischen Selbstverpflichtungen als Ausgangspunkt. Dazu müsste ein globaler Rücklagenfonds gehören, in den wohlhabende Länder einzahlen und aus dem vulnerable Länder Mittel beziehen könnten, um akute Verluste und Schäden durch Klimawandelfolgen anzugehen. Dieser Fonds könnte ähnlich wie der EU-Solidaritätsfonds funktionieren, der 2002 als Reaktion auf verheerende Überflutungen in Europa eingerichtet wurde und bisland mehr als 7,9 Milliarden Dollar ausgezahlt hat. Schätzungen zum weltweiten Finanzierungsbedarf für Verluste und Schäden übertreffen diese Summe bei weitem, was noch einmal verdeutlicht, wie wichtig es ist, einen Weg zu finden, um diesem Thema Schwung zu verleihen.
Ergänzend zu diesen Bemühungen könnten die Staatschefs zudem ein Finanzierungsintervall für Verluste und Schäden im Green Climate Fund (GCF) einrichten, ein Fonds, der im Rahmen des UNFCCC eingerichtet wurde, um den sich entwickelnden Ländern Zugang zu Klimafinanzierung zu verschaffen. Rund 20 Prozent der GCF-Projekte enthalten Maßnahmen, die Elemente eines möglichen Loss-and-Damage-Programms sein könnten. Ein solcher programmatischer Ansatz könnte auf möglichen Instrumenten aufbauen, darunter Programme zur Risikoübertragung, Katastrophenanleihen, soziale Sicherungssysteme und eine finanzielle Sicherheitsreserve. Auch wenn die Bereitschaft des US-Kongresses, die GCF-Finanzierung zu unterstützen, bestenfalls schwach und der politischen Windrichtung unterworfen ist, kann ein zweckgebundenes Finanzierungsintervall lehrreich sein und dabei helfen, Aktivitäten zu Verlusten und Schäden systematischer anzugehen.
Wirbelsturm entsteht im Golf von Aden, Jemen
Für eine noch weiter reichende politische Antwort könnten wohlhabende Nationen die Idee einer Clubstruktur nutzen – einer Art Koalition der Willigen –, um zahlreiche bereits vorhandene Ansätze zusammenzuführen, die Verluste und Schäden von unten nach oben angehen. Deutschland hat diese Struktur unter seiner G7-Präsidentschaft dazu genutzt, ehrgeizige Minderungsmaßnahmen voranzutreiben; vergleichbare Bemühungen zu Verlusten und Schäden könnten die Initiative des Globalen Schutzschilds einschließen, den Vulnerable-20- (V20) Ansatz für einen Verluste-und-Schäden-Fonds sowie US-Programme für Katastrophenrisikoreaktionen und Katastrophenanleihen.
Bei Verlusten und Schäden geht es nicht um Schuld – es geht darum, aktiv zu werden. Wenn wohlhabende Nationen weiterhin sprichwörtlich den Kopf in den Sand stecken und sich weigern, die berechtigten Rufe bei der COP27 nach Maßnahmen zu Verlusten und Schäden anzuerkennen, werden ihre Klimaverpflichtungen unaufrichtig wirken, und das internationale Vertrauen wird weiter bröckeln – und was noch wichtiger ist, weitere Leben und Existenzgrundlagen werden verloren gehen.
Es gibt einen Weg nach vorn, und es ist Zeit für die Vereinigten Staaten und die europäischen Länder, ihn zu beschreiten.
Über die Autor*innen: Anne Christianson ist Direktorin für internationale Klimapolitik am Center for American Progress, und Dennis Tänzler ist Director Head of Programme Climate Policy bei adelphi research.
Dieser Artikel erschien erstmals in The Hill am 18. Oktober 2022 und kann hier abgerufen werden.