Die UN-Generalversammlung hat den 21. März zum Internationalen Tag des Waldes erklärt, um das Bewusstsein für die Bedeutung von Wäldern und deren Bedrohung zu schärfen. Jedes Jahr wird an diesem Tag ein bestimmter Aspekt der Wälder thematisch in den Mittelpunkt gerückt und ihre Rolle für eine nachhaltige Entwicklung hervorgehoben. Das diesjährige Thema "Wälder und Innovation" betont, wie Wälder eine Inspiration für die Entwicklung neuer Lösungen für eine bessere Welt sein können.
Warum Wälder für Menschen und die Artenvielfalt wichtig sind
Wälder sind die Heimat von schätzungsweise 70 Millionen Menschen weltweit – darunter viele indigene Gemeinschaften. Für 1,6 Milliarden Menschen sind sie eine lebenswichtige Quelle für Nahrung, Energie und den Lebensunterhalt. Darüber hinaus erfüllen sie unschätzbare ’Dienstleistungen‘ für uns alle, wie etwa eine regulierende Funktion für das Klima, saubere Luft und Wasser oder die Förderung unserer geistigen und körperlichen Gesundheit.
Wälder sind zudem Schatzkammern biologischer Vielfalt: Sie beherbergen schätzungsweise 80 Prozent aller terrestrischen Arten, darunter 80 Prozent der Amphibien, 75 Prozent der Vögel und 68 Prozent der Säugetiere. Vor allem tropische Regenwälder verfügen über eine faszinierende Reihe an ökologischen Prozessen und gehören zu den biologisch vielfältigsten Ökosystemen der Erde. Dennoch sind Wälder durch Brände, Schädlinge, Dürren und Entwaldung stark gefährdet. Jährlich gehen weltweit zehn Millionen Hektar Wald durch Abholzung und etwa 35 Millionen Hektar durch Insektenbefall verloren.
Für indigene Völker, die in Wäldern leben, geht deren Bedeutung oft über die bloße Lebensgrundlage hinaus: Ihr traditionelles Wissen, ihre Sprachen und Werte sind von den Wäldern inspiriert und ihr Schlüssel zu einer anhaltenden tiefen Verbindung zur Natur. Mit jahrhundertealten Praktiken zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Wäldern sind indigene Gemeinschaften auch entscheidend für ihren Schutz. Indem sie dem Rhythmus der Jahreszeiten folgen und das Gleichgewicht des Ökosystems respektieren, unterstützen Indigene den Erhalt der biologischen Vielfalt, die Speicherung von Kohlenstoff und die Verhinderung von Wüstenbildung. So weisen Wälder in indigenen Gebieten im Vergleich zu anderen Waldgebieten geringere Entwaldungs- und Degradierungsraten auf.
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Kunsthandwerk von indigenen Völkern im brasilianischen Amazonasgebiet
Die Bedeutung der Wälder für indigene Völker und die wichtige Rolle, die Indigene für deren Erhalt spielen, werden durch eine Fallstudie aus dem Horizon Europe Projekt BIOTRAILS veranschaulicht, an dem adelphi research als Konsortialpartner beteiligt ist. BIOTRAILS zielt darauf ab, Wissen zu generieren und Werkzeuge zu entwickeln, um transformative Veränderungen in biodiversitätsrelevanten Wertschöpfungsketten anzuregen und zu beschleunigen. Ein Schwerpunkt des Projekts ist die Wertschöpfungskette von forstbasierten Kulturprodukten ("Kunsthandwerk"), die von indigenen Gemeinschaften im brasilianischen Amazonasgebiet hergestellt werden.
Nach Angaben des brasilianischen Instituts für Geografie und Statistik ist Kunsthandwerk ein bedeutender Markt in Brasilien, der jährlich etwa zehn Milliarden US-Dollar erwirtschaftet und rund zehn Millionen Menschen beschäftigt. Die Fallstudie konzentriert sich auf das Kunsthandwerk, das von indigenen Gemeinschaften im Tupi Conservation Mosaic hergestellt wird, einem Gebiet, das 1,5 Millionen Hektar tropischen Regenwald umfasst und die Heimat von 21 indigenen Völkern in acht indigenen Gebieten in den Bundesstaaten Rondônia und Mato Grosso ist.
Die indigenen Handwerker*innen stellen ihre Kunsthandwerke aus nachwachsenden Materialien des Waldes her, darunter Töpfe und Keramiken aus Ton, Schmuck aus Samen und Steinen, Körbe und Ornamente aus Blättern und Federn, sowie verschiedene Hölzer, Öle, Gerb- und Farbstoffe. Die Herstellung dieser Produkte hat nur minimale Auswirkungen auf die Arten, Lebensräume und das Ökosystem des Waldes. Im Vergleich zu den großen Bedrohungen für das Ökosystem des Amazonas, wie Entwaldung und Walddegradierung, ist die Übernutzung von Arten für den Kunsthandwerksmarkt relativ selten (beispielsweise, wenn die erhöhte Nachfrage nach bestimmten Vogelfedern zu einem vermehrten Abschuss von Wildvögeln führt).
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Die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Kunsthandwerksproduktion sind außerordentlich positiv, insbesondere für Frauen, die die überwiegende Mehrheit der Kunsthandwerker*innen darstellen. Sie sind dadurch finanziell gefestigter, unabhängiger und wirtschaftlich gestärkt. Ihre Führungsqualitäten und ihre Autonomie in diesem Kontext haben es ihnen ermöglicht, ihre Verantwortlichkeiten und Autorität in anderen Bereichen ihrer Gemeinschaften auszuweiten, einschließlich der Lokalpolitik. Durch die Weitergabe handwerklicher Fertigkeiten und des damit verbundenen traditionellen Wissens an künftige Generationen hat die Herstellung von Kunsthandwerk auch die kulturelle Vitalität, Stärke und das Wohlergehen der Gemeinschaften insgesamt verbessert.
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BIOTRAILS - Nexus-Framework für biodiversitätsrelevante transformative Veränderungen
Es ist jedoch noch ein langer Weg, bis traditionelle Fertigkeiten vollständig gewürdigt und der Beitrag indigener Kunsthandwerker*innen zum Erhalt und zur nachhaltigen Nutzung des Waldökosystems anerkannt werden. Ergebnisse des BIOTRAILS-Projekts zeigen wichtige Ansatzpunkte für Interventionen zur Verbesserung der sozialen Gerechtigkeit und der Inklusion innerhalb der Wertschöpfungskette auf. So könnte beispielweise die Stärkung von Produktionskooperativen die Preissetzungsmacht der Kunsthandwerker*innen erhöhen und dazu beitragen, die sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten zwischen indigenen und nicht-indigenen Brasilianer*innen zu verringern. Ebenso könnte durch die Sensibilisierung von Verbraucher*innen und ein stärkeres Bewusstsein für die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Herstellung dieser Produkte die Nachfrage nach diesen erhöht werden und somit weitere Vorteile für die Produzent*innen und ihre Gemeinschaften bringen.
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Der Beitrag der Wälder zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung
Wälder spielen eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs), dem Marschplan der Vereinten Nationen für Frieden und Wohlstand für die Menschen und den Planeten. Der Erhalt von Wäldern und ihre nachhaltige Nutzung trägt unmittelbar zum SDG 15 (Leben an Land) bei, das darauf abzielt, terrestrische Ökosysteme zu schützen, wiederherzustellen und nachhaltig zu nutzen, Wälder nachhaltig zu bewirtschaften, Wüstenbildung zu bekämpfen sowie Landdegradierung und den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten und umzukehren.
Wie das Beispiel aus Brasilien zeigt, können der Erhalt von Wäldern und ihre nachhaltige Nutzung durch indigene Gemeinschaften, neben anderen SDGs, auch zu Armutsbekämpfung (SDG1), Geschlechtergleichstellung (SDG5), menschenwürdiger Arbeit und wirtschaftlichem Wachstum (SDG8), Verminderung von Ungleichheiten (SDG10) sowie zur Nachhaltigkeit von Konsum und Produktion (SGD12) beitragen. Das Beispiel unterstreicht die Bedeutung der Integration von traditionellem Wissen und modernen, innovativen Ansätzen, um zu nachhaltigen Lebensgrundlagen und zum Erhalt von Waldökosystemen beizutragen. Indem wir indigene Kunsthandwerker*innen unterstützen und faire Handelspraktiken fördern, können wir indigene Gemeinschaften stärken und gleichzeitig Wälder für kommende Generationen schützen.