COP29: Klimasicherheit im Dienste des Menschen
toda.org, 19. November 2024 (in Englisch)
Insight von Dennis Tänzler
Das neue internationale Klimaschutzabkommen hat das Potenzial zum globalen Solidarvertrag des 21. Jahrhunderts. Dies gelingt dann, wenn bei der Umsetzung weiterhin dem Anspruch gefolgt wird, sowohl Dekarbonisierung als auch Stärkung von Resilienz gleichermaßen, unmittelbar und systematisch voranzutreiben.
Das positive Signal von Paris ist, dass sich die Klimadiplomatie als lernfähig erwiesen hat. Aus dieser Perspektive hat sich das sechs Jahre lange Nachsitzen nach der gescheiterten Konferenz in Kopenhagen 2009 offenkundig gelohnt. Diese Lernfähigkeit lässt sich vor allem an drei Entwicklungen festmachen:
Die französische Präsidentschaft hat es sowohl im Vorfeld als auch während der Weltklimakonferenz in Paris geschafft, globale Klimapolitik als strategische Frage der Weltpolitik zu etablieren. Hierzu zählt im Wesentlichen, über den engen Bereich der Umweltpolitik hinauszureichen, andere Politikbereiche wie die Finanz-, Wirtschafts- und Außenpolitik systematisch einzubeziehen und vor allem auf außenpolitische Verhandlungserfahrung zu bauen.
Zwei der zentralen Akteure in Paris, Laurent Fabius als Präsident der COP und Tony de Brum von den Marschallinseln, sind beide Außenminister. Der Auf- und Ausbau einer Allianz hochambitionierter Regierungen hat spätestens durch die USA und dem späteren Beitritt Brasiliens eine Dynamik entwickelt, denen sich die anderen Staaten kaum noch verweigern konnten. In der vielschichtigen Verhandlungsarchitektur konnten Brücken zu zwei der üblichen Bremser-Gruppen, die sogenannte „Umbrella Group“ und die der BASIC-Staaten, gebaut werden.
Das in Kopenhagen nicht erreichte globale Abkommen hat in den vergangenen sechs Jahren zu wesentlichen Einsichten in Prozessschwächen geführt. Dies betrifft zum Beispiel die in Kopenhagen zu eng geführte Fokussierung auf den Minderungsbereich. Das Paris-Abkommen reflektiert die Herausforderungen eines sich bereits heute vollziehenden Klimawandels durch systematische Einbeziehung der Stärkung von Resilienz, der Art und Weise, wie mit Klimaschäden umgegangen werden muss und welche zentrale Rolle die Finanzierungsfrage einnimmt.
Kopenhagen hatte zu letzterem, mit den Ankündigungen ab 2020 jährlich 100 Milliarden zur Verfügung zu stellen und den Green Climate Fund einzurichten, immerhin die Vorlagen gegeben. Klimafinanzierung hat sich bis Paris zu einem Bereich der Klimadiplomatie entwickelt, der globale Zusagen mit konkreten Anforderungen an die transparente und verantwortliche Verwendung der Mittel in den Ländern verschränkt hat. Mit dieser Prozessgestaltung, die sich ähnlich im Anpassungsbereich mit der Aufsetzung nationaler Planungsprozesse abbilden lässt, wurde wesentliches Vertrauen für den internationalen Klimaschutzprozess aufgebaut und das Paris-Abkommen somit ermöglicht.
Gleiches gilt für die Ausgestaltung der intendierten nationalen Beiträge (INDCs). Diese ermöglichten es den Staaten zunächst selbst, sich Klarheit über ihren spezifischen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels zu verschaffen. Zudem unterstrich der Prozess durch die mögliche Einbeziehung von Anpassungsaktivitäten, dass hier tatsächlich die Perspektiverweiterung globaler Klima-Governance um eine Bottom-Up-Prozesse erfolgt ist und die Anliegen besonders verwundbarer Länder berücksichtigt werden.
Teil dieser Perspektiverweiterung ist auch die starke Betonung der „Solutions Agenda“ durch die französische Präsidentschaft und die Vielfältigkeit der Akteure, die hierzu beitragen. Das Scheitern der Konferenz in Kopenhagen hatte das Vertrauen in die Lösungsfähigkeit globaler Klimaverhandlungen nachhaltig erschüttert. Unter den gesellschaftlichen Kräften, die unterhalb der staatlichen Regierungsebene wirken und mit diesem Vertrauensverlust umgegangen sind, können stellvertretend die Städte und Städtenetzwerke herausgegriffen werden. Diese haben zweifelsohne auch schon vor 2009 eine eigenständige Rolle in der Klimapolitik eingenommen.
Die globale Vernetzung unter den Städten wie auch die ausgewiesene – tatsächliche wie mögliche – Gestaltungsmacht der lokalen Ebene hat aber in den letzten Jahren erheblich zugenommen (siehe auch: "Urbanization and Climate Diplomacy"). Um die global ausbleibende Steuerungsfähigkeit zumindest zum Teil zu kompensieren, haben sich viel versprechende Ansätze einer urbanen Climate Diplomacy entwickelt, die sich in eindrucksvoller Weise auf dem Pariser Laufsteg der COP21 präsentiert hat und einen Teil des erfolgreichen Abschlusses für sich verbuchen kann.
Das Paris-Abkommen setzt auf eine einzulösende Ambitionsperspektive, die deutlich unterhalb von zwei Grad liegt. Die Ausgestaltung der vereinbarten Ziele muss demnach unmittelbar und umfassend geschehen, um nicht gleich das wiedergewonnene Vertrauen erneut zu verspielen. Bereits 2018 sollen erstmals die erreichten Ergebnisse überprüft werden. Die INDCs werden hierbei zu einem zentralen Scharnier zwischen Pariser Ambitionen und nationalen Prioritäten.
Wenn es nun darum geht, die nationalen Beiträge aller Länder umzusetzen, gilt es eines zu beachten: In den INDCs haben die meisten Staaten im Grunde die Aktivitäten ausgewiesen, deren Umsetzung sie als möglich ansehen. Die Analysen vor Paris haben jedoch deutlich gemacht, dass dies in keiner Weise ausreicht, um das Ambitionsniveau von unter zwei Grad (von eineinhalb Grad ganz zu schweigen) zu erfüllen. Das bedeutet auch, dass es als nächster Schritt von erheblicher Bedeutung ist, nicht nur zu schauen, wie die in den INDCs ausgewiesenen Aktivitäten wirksam umgesetzt werden können, sondern auch zu analysieren, was mit den treibhausgasrelevanten Bereichen ist, über die sich die INDCs bislang ausschweigen.
Mit dem Paris-Abkommen hat die internationale Klimapolitik die Lehren aus Kopenhagen gezogen und endgültig die Komfortzone verlassen.