Der Schutz und das Management der vier großen Beutegreiferarten Europäischer Braunbär (Ursus arctos), Wolf (Canis lupus), Eurasischer Luchs (Lynx lynx) und Vielfraß (Gulo gulo) ist auf EU-Ebene eine der größten Herausforderungen des Artenschutzes. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass ihre biologischen Bedürfnisse – wie die Besiedlung großer grenzüberschreitender Reviere – und ihr natürliches Verhalten zu Konflikten mit menschlichen Aktivitäten in der Land- und Forstwirtschaft und der Jagd führen können. Nur in seltenen Fällen stellen diese großen Beutegreifer eine Bedrohung für die menschliche Sicherheit dar.
In den letzten Jahren konnten sich einige Bestände der großen Beutegreifer innerhalb der EU erholen. Obwohl viele Menschen dies als Erfolg für den Naturschutz begrüßten, hat es in einigen Gebieten zu Konflikten zwischen verschiedenen Interessengruppen geführt. Diese Konflikte variieren in ihrer Intensität je nach den sozioökonomischen Aktivitäten in der Region, in die die großen Beutegreifer zurückkehren. Daher ist die Zusammenarbeit verschiedener lokaler Interessengruppen, die sich mit dem Management großer Beutegreifer beschäftigen, nach wie vor von großer Bedeutung. Es ist klar, dass es keinen idealen Weg für ein einheitliches Management großer Beutegreifer gibt, um überall in Europa erfolgreich zu sein. Stattdessen muss das Management an die lokalen Gegebenheiten angepasst werden.
Aus diesem Grund haben sich die Mitglieder der EU-Plattform für die Koexistenz von Menschen und großen Beutegreifern mit der Intergruppe "Biodiversität, Jagd und ländliche Aktivitäten" des EU-Parlaments zusammengeschlossen, um die Einrichtung regionaler Plattformen zur Förderung des Zusammenlebens in Gebieten mit akuten Konflikten mit großen Raubtieren zu fördern. Das Europäische Parlament hat beschlossen, ein Pilotprojekt zu finanzieren, das von der Europäischen Kommission in Auftrag gegeben wurde.
Nach der Zusammenarbeit bei der Einrichtung der ersten regionalen Plattformen in Italien, Spanien und Rumänien im Jahr 2018 setzen adelphi und das Italienische Institut für angewandte Ökologie ihre Zusammenarbeit im Jahr 2019 in einem zweiten Pilotprojekt fort, um weitere drei regionale beziehungsweise lokale Plattformen für das Zusammenleben von menschlichen und großen Beutegreifern in verschiedenen Mitgliedstaaten zu schaffen. Derzeit werden Plattformen in Niedersachsen in Deutschland, Frankreich, Schweden und Finnland getestet. Es wird die gleiche Methodik wie im ersten Pilotprojekt mit einem intensiven partizipativen Prozess und der anschließenden Durchführung von Pilotaktionen angewendet. adelphi ist für die Entwicklung des Kommunikationsplans, die Zusammenarbeit mit der EU-Plattform und anderen laufenden Projekten sowie für die Steuerung der Umsetzung von zwei der Plattformen verantwortlich.
Ein aktuelles Beispiel aus der französischen Region Auvergne-Rhône-Alpes: Um dort Spannungen zwischen den betroffenen Akteur*innen zu vermeiden, hat der Regionale Naturpark Vercors in Zusammenarbeit mit dem von adelphi unterstützten europäischen Projekt eine akteursübergreifende Arbeitsgruppe zum Thema „Schutzmaßnahmen gegen den Wolf (einschließlich Herdenschutzhunde) und andere Nutzungen des Gebiets“ eingerichtet. Dabei geht es um die Entwicklung einer gemeinsamen Erzählung über den Herdenschutzhund und das Teilen von Räumen sowie um den Vorschlag eines Katalogs von Kommunikationsmitteln, mit denen diese Erzählung im Regionalen Naturpark Vercors genutzt werden kann.