Zwischen Faszination und Furcht: Europas große Beutegreifer werden kontrovers diskutiert. Verbesserter Natur- und Artenschutz hat ihnen ermöglicht, sich wieder auszubreiten – doch dadurch stoßen sie immer öfter mit Menschen und deren wirtschaftlichen Interessen zusammen. 2014 richtete die EU deshalb eine Plattform ein, die Konflikte zwischen verschiedenen Interessengruppen mindern, den Austausch von Wissen und Erfahrungen erleichtern sowie eine kooperative Zusammenarbeit zum Schutz von Braunbären, Wölfen, Luchsen und Vielfraßen ermöglichen soll. adelphi leitet das Sekretariat der Plattform.
Große Beutegreifer faszinieren uns, wir wollen sie schützen, ihre Habitate regenerieren und Lebensräume erhalten. In einigen Teilen Europas zeigen sich bereits Erfolge: Die großen Beutegreifer kehren zurück, ihre Bestände erholen sich. Allerdings löst das nicht nur Hoffnung, sondern auch Ängste aus: Zwar ist in Europa die Gefahr, die große Beutegreifer für Menschenleben darstellen, sehr gering, doch für die Nutztierhaltung werden sie als Bedrohung wahrgenommen und für die Jagd als Konkurrenz. Zudem benötigen alle vier europäischen großen Beutegreifer, Europäischer Braunbär (Ursus arctos), Wolf (Canis lupus), Nordluchs (Lynx lynx) und Vielfraß (Gulo gulo), große, zusammenhängende Reviere – ein Problem im dicht besiedelten Europa mit seinen vielen Landesgrenzen und entsprechenden administrativen Barrieren.
Die Verbreitungsgebiete der vier großen europäischen Beutegreifer
Im Vergleich zu den von Menschen gezogenen Staatsgrenzen
Galerie
Text
Zwar fördern viele europäische Staaten die Bestandserholung der großen Beutegreifer, zum Beispiel durch Gesetze, das Ausweisen von Naturschutzgebieten und finanzielle Förderung. Doch das Thema bleibt kompliziert, denn die genauen Schutzregelungen unterscheiden sich von Land zu Land, und je nach Region stoßen die Reviere der Beutegreifer auf verschiedene Siedlungsstrukturen, Landnutzungen und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen.
Text
Zusammenarbeiten für ein gutes Zusammenleben
Die Europäische Kommission will den Mitgliedsstaaten, aber auch lokalen Kommunen und Organisationen dabei helfen, besser zusammenzuarbeiten. Sie möchte grenzüberschreitenden Naturschutz mit den berechtigten Interessen der Bürgerinnen und Bürger und den Bedürfnissen lokaler Wirtschaftsbetriebe in Einklang bringen. Der beste Weg dazu ist eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Interessengruppen, die im Management von Großbeutegreifern involviert sind. Die Stakeholder-Organisationen haben auch erkannt, dass sie ihre Ziele nur erreichen können, wenn sie zusammenarbeiten.
Deshalb haben die Europäische Kommission und Stakeholder-Organisationen im Juni 2014 entschieden, die EU-Plattform zur Koexistenz von Mensch und großen Beutegreifern zu gründen. Auf dieser Plattform begegnen sich die unterschiedlichen Gruppen, die von diesem Thema betroffen sind: die European Landowners' Organization, vertritt die Grundeigentümer der EU-Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene; Vertreter der finnischen und schwedischen Rentierzüchter der Reindeer Herders' Association(die Leit-, Beratungs- und Expertenorganisation für die Rentierzucht); die Federation of Associations for Hunting and Conservation of the EU(der Dachverband der Jagd in Europa); der Internationale Rat zur Erhaltung der Jagd und des Wildes(ein politisch unabhängiges, internationales Beratungsgremium); die IUCN oder Weltnaturschutzunion (ein Dachverband zahlreicher internationaler Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen); der World Wide Fund For Nature oder WWF (eine der größten internationalen Natur- und Umweltschutzorganisationen) sowie die EUROPARC Federation (die Dachorganisation der europäischen Großschutzgebiete).
Gemeinsam finden sie Lösungen für die sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen wachsender Populationen von Großbeutegreifern.
Galerie
Text
Die Teilnehmenden der Plattform entwickeln Maßnahmen, um Konflikte zu mindern, Wissen und Erfahrungen auszutauschen und die kooperative Zusammenarbeit auch über die Plattform hinaus zu fördern. Ein Jahr nach Gründung der Plattform, im Jahr 2015, wurde das Sekretariat ins Leben gerufen, das viele organisatorische, administrative und kommunikative Aufgaben übernimmt und die Forschung unterstützt.
Text
Wie arbeitet das Sekretariat der EU-Plattform zur Koexistenz von Menschen und großen Beutegreifern?
Unter der Leitung von adelphi und Callisto vernetzt das Sekretariat der Plattform regionale und lokale Plattformen und Organisationen. Es untersucht, welche Unterstützungsmaßnahmen es bereits gibt und wie sie wirken. Zudem werden gelungene Fallbeispiele zum Zusammenleben von Menschen und großen Beutegreifern gesammelt. Das Sekretariat forscht auch zur Wahrnehmung großer Beutegreifer durch die Bevölkerung: Wie stark und in welcher Weise werden sie als Risiko gesehen? Welche Ängste verbinden die Menschen mit ihnen? Welche Politikmaßnahmen verbessern diese Wahrnehmung? Wie kann die richtige Kommunikation dabei helfen, Ängste zu mildern und Interesse am Schutz der Tiere zu wecken?
Text
Nach mehreren Jahren dieser Kooperation setzt die Plattform den Fokus auf regionale und lokale Partner-Plattformen. In zwei Pilotprojekten, die ebenfalls von der EU finanziert werden, wurden ähnliche Plattformen aufgebaut, die Beteiligte und Interessengruppen aus jeweils einer bestimmten Region zusammenbringen. Bisher gibt es Pilot-Plattformen mit regionalem oder lokalem Bezug in Italien, Spanien Rumänien, Deutschland, Frankreich und Schweden. Die EU-Plattform konzentriert sich aktuell darauf, Verbindungen mit diesen Plattformen auf- und auszubauen. So will sie ein EU-weites Netzwerk schaffen, in dem sich Beteiligte miteinander austauschen und voneinander lernen können.
adelphi ist auch an diesen beiden Pilotprojekten beteiligt und damit in der idealen Position, den Austausch zu gewährleisten. Zudem unterstützt das adelphi-Team Plattformmitglieder bei ihrer Außenkommunikation, organisiert Jahrestreffen und regionale Workshops und verwaltet die Website der EU-Plattform.