Nach Baku - die COP braucht endlich wieder ein Heimspiel
Kommentar von Dennis Tänzler
Insight von Dr. Baran Doda
Weltweite Netto-Null-Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts – das ehrgeizige, aber notwendige Ziel, um den weltweiten Temperaturanstieg auf 1,5 ° C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Dieses Ziel bildet das Rückgrat des Pariser Abkommens von 2015 und bestimmt die Klimapfade, die politischen Strategien und zunehmend auch die Gesetze vieler Länder.
In einer Welt, in der Netto-Null-Emissionen das Ziel sind, ist wohl keine Region von größerer Bedeutung als Asien. Mit 53 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes sind die Emissionen des Kontinents enorm. Gleichzeitig sind viele Länder Asiens extrem anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels und verzeichnen mit die höchste Zahl an Menschen, die gefährlichen klimabedingten Risiken wie Überschwemmungen, Dürren, Stürmen, einem Anstieg des Meeresspiegels und schmelzenden Gletschern ausgesetzt sind, was zum Teil der Bevölkerungsdichte, aber auch der Geografie geschuldet ist.
Steigende Bevölkerungszahlen und schnell wachsende Volkswirtschaften prägen den Kontinent. Ein Ende dieses Trends ist nicht in Sicht. In Asien befinden sich viele Schwellenländer, die sich vor allem darauf konzentrieren, ihre Bevölkerung aus der Armut zu befreien und den Übergang von agrarbasierten Volkswirtschaften zu Industrienationen zu gestalten. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde häufig auf große Energieprojekte auf Basis fossiler Brennstoffe gesetzt, mit der Konsequenz, dass die Emissionen schneller als in jedem anderen Erdteil angestiegen sind. Der Energiebedarf Südostasiens allein wird bis 2030 voraussichtlich um zwei Drittel steigen, zahlreiche neue Kraftwerke auf Grundlage fossiler Brennstoffe sind geplant. Knapp 90 Prozent der bestehenden und geplanten Anlagen basieren auf fossilen Brennstoffen, was im starken Widerspruch zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels steht, wie Analystinnen und Analysten hervorgehoben haben. Ohne abgestimmte und wirksame Klimaschutzmaßnahmen in der Region wird Asien allein bis 2050 bereits den Löwenanteil des weltweiten Kohlenstoffbudgets verbrauchen.
Vor diesem Hintergrund hat sich die CO2-Preisgestaltung als zentrales Instrument im Werkzeugkasten der Klimapolitik erwiesen. Wird die CO2-Bepreisung gut konzipiert und umgesetzt, kann sie den Regierungen helfen, ihre Netto-Null-Emissionsziele auf kostengünstige Weise zu erreichen, und eine wichtige Rolle beim Übergang zu klimaneutralen Volkswirtschaften spielen. Indem sie einen finanziellen Anreiz zur Emissionsreduzierung schaffen, können CO2-Preise langfristig auch ein wichtiges und überzeugendes Signal senden, das zu Investitionen in kohlenstoffarme Innovationen anregt.
Derzeit führen weltweit immer mehr Regierungen einen CO2-Preis ein und gerade auch in Asien gewinnt dieses Instrument an Fahrt. Mit der Einführung von Chinas nationalem EHS ging Anfang des Jahres der weltweit größte Kohlenstoffmarkt online. Der jüngste Statusbericht 2021 der International Carbon Action Partnership zum weltweiten Emissionshandel zeigt, dass diese Entwicklung den Anteil der von einem EHS abgedeckten globalen Emissionen auf 16 Prozent verdoppelte. Das 2015 gestartete südkoreanische EHS erreicht zunehmende Reife und wird in diesem Jahr mit einem erhöhten Anteil an Versteigerungen der Emissionszertifikate in eine neue Handelsphase eintreten.
Indonesien und Vietnam machen bei der Entwicklung ihrer eigenen Systeme ebenfalls Fortschritte. Mit einer bereits fest verankerten Kohlenstoffmarktstrategie startete Indonesien im März einen Kohlenstoffmarkt in Form eines EHS für den Energiesektor, mit zunächst freiwilliger Teilnahme. Bis 2024 soll das EHS vollständig in Betrieb sein. In Vietnam ist die Ausarbeitung eines inländischen EHS und eines Mechanismus für CO2-Gutschriften ebenfalls gesetzlich festgelegt. Ein Pilotprojekt wird bis 2025 erwartet, der vollständige Betrieb bis 2027. Auch Thailand, Taiwan, Pakistan und die Philippinen erwägen die Einführung verschiedener Instrumente. Die CO2-Preisgestaltung wird somit immer mehr zum festen Bestandteil der grünen Wachstumsstrategien vieler asiatischer Länder mit aktuell bereits mehr als 20 Initiativen zur CO2-Bepreisung auf dem Kontinent.
Trotz dieser vielversprechenden Entwicklungen ist die überwiegende Mehrheit der globalen Treibhausgasemissionen noch nicht mit einem CO2-Preis versehen. Um die weitere Dekarbonisierung voranzutreiben, geht es daher im Wesentlichen darum, sicherzustellen, dass es einen fruchtbaren Boden für CO2-Preisstrategien gibt, auf dem diese Fuß fassen und gedeihen können. Ein entscheidender Faktor spiegelt sich auch im jüngsten „State and Trends“-Bericht der Weltbank von 2021 wider: Ein CO2-Preis hat dann die größten Erfolgsaussichten, wenn er, unabhängig von den jeweiligen Ambitionen, auf den Rechtsraum zugeschnitten ist, in dem er gelten soll. In diesem Zusammenhang bleiben wichtige Fragen offen: Welche Rahmenbedingungen erleichtern die Einführung und den Erfolg eines Kohlenstoffpreises? Und wie könnten diese Bedingungen in einer Region aussehen, die von so entscheidender Bedeutung, aber so vielfältig und weitläufig ist wie Asien?
Unser neuer Bericht befasst sich mit diesen Themen. Basierend auf einer Untersuchung von rund 500 Veröffentlichungen bietet er einen analytischen Rahmen. Wir untersuchen, wie sich politische, rechtliche, wirtschaftliche und technische Faktoren sowie multilaterale Verflechtungen auf die Bereitschaft zur Einführung eines CO2-Preises sowie das Potenzial der CO2-Bepreisung auswirken, und identifizieren Variablen, die Fortschritte in Bezug auf CO2-Preise unterstützen oder behindern können. Wie unsere Analyse zeigt, gibt es ein eng verflochtenes Netzwerk aus zahlreichen interagierenden Faktoren, die darüber bestimmen, ob ein Land sich für ein CO2-Preisinstrument entscheidet oder nicht.
Die Interessen kohlenstoffintensiver Industrien beispielsweise können das politische Engagement für die CO2-Preisgestaltung stark beeinflussen. Ein richtungsweisendes Klimagesetz könnte eine robuste Rechtsgrundlage für das politisches Instrument der CO2-Bepreisung bilden. Ohne entsprechende Reformen könnten die Struktur und Regulierung von Strommärkten die Wirksamkeit eines CO2-Preises im Stromsektor beeinträchtigen. Auch die technischen Kapazitäten der Regulierungsbehörden, die sich aus der Erfahrung mit bestehenden politischen Strategien oder speziellen Initiativen zum Kapazitätsaufbau ergeben, entscheiden möglicherweise darüber, ob ein CO2-Preissystem eingeführt werden kann und reibungslos funktioniert. Außerdem muss das multilaterale Geschehen und seine Auswirkungen auf nationale Umstände genauer analysiert werden, um die Bereitschaft zur CO2-Preisgestaltung vollständig zu verstehen. Denn die wirtschaftliche Integration ist für das internationale Ansehen vieler Regionen von entscheidender Bedeutung, und dadurch, dass immer mehr Länder Emissionen bepreisen, wird zunehmen über CO2-Grenzausgleichsmechanismen diskutiert. All dies ist nur ein Teil – wenn auch ein bedeutender – der Aspekte, die unsere Studie hervorhebt.
Der komplexe analytische Rahmen wurde mit der Perspektive entwickelt, ihn auf den vielfältigen asiatischen Kontext anzuwenden. Die CO2-Bepreisung ist kein Allheilmittel für die durch den Klimawandel verursachten Probleme. Außerdem sind die verschiedenen Länder in Asien aktuell in ganz unterschiedlichem Maße dazu bereit und in der Lage, das erhebliche Potenzial des Instruments auszuschöpfen. Wo die Bedingungen es zulassen, kann die Festlegung eines CO2-Preises für möglichst viele Emissionen weltweit jedoch eine ganz wesentliche Rolle beim Übergang hin zu einer Netto-Null-Wirtschaft spielen. Durch seine zunehmende wirtschaftliche Bedeutung – und seinen steigenden CO2-Ausstoß – ist Asien möglicherweise in einer guten Position, um die CO2-Preisgestaltung voranzutreiben. Unser neuer Analyserahmen könnte genau das zeigen.