
Nach der Hitze ist vor dem Arbeitskampf
Kommentar von Vivianne Rau
News vom 28. Sep. 2021
Auftakt der BCSC 2021 war eine Podiumsdiskussion zu multilateralen Maßnahmen für Klima, Frieden & Stabilität. Hochrangige Vertreter*innen verschiedener Staaten und internationaler Organisationen betonten die Bedeutung der Klimasicherheit für Friedensförderung und stellten konkrete Schritte vor.
Eröffnet wurde die Berliner Konferenz zu Klima und Sicherheit 2021 (BCSC) gestern mit einer lebhaften Podiumsdiskussion zu multilateralen Maßnahmen für Klima, Frieden und Stabilität, organisiert von adelphi und der Münchner Sicherheitskonferenz. Den Anfang machte der deutsche Außenminister Heiko Maas mit einem Grußwort, in dem er herausstellte, wie wichtig es ist, den Zusammenhang zwischen Klima und Sicherheit nicht nur zu analysieren, sondern mit entschlossenem, kooperativem Handeln gegen die damit einhergehenden Risiken vorzugehen: „Ich freue mich, dass zwischen uns ein starker Konsens besteht zum Zusammenhang von Klimawandel, Frieden und Sicherheit. Nun müssen wir diesen Konsens in einem nächsten Schritt operationalisieren“, so Maas. (Hier finden Sie die Rede in voller Länge.)
Die kenianische Außenministerin Raychelle Omamo griff diesen Aufruf zum Handeln auf: „Aus ostafrikanischer Perspektive ist der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Sicherheit eindeutig … wir müssen uns nun die Frage stellen, wie wir am besten ganzheitliche Lösungsansätze verfolgen können, um die Herausforderungen des Klimawandels anzugehen.“
Dies war die zentrale Frage der Podiumsdiskussion. Rosemary A. DiCarlo, UN-Untergeneralsekretärin für politische Angelegenheiten und Friedenskonsolidierung (UN DPPA), rief die G20-Staaten dazu auf, die Bemühungen anzuführen. Je früher sie eine Führungsrolle im Kampf gegen die Auswirkungen des Klimawandels auf Frieden und Sicherheit einnehmen, desto besser: „Der Klima- und Umweltwandel wird zunehmend als Bedrohungsmultiplikator oder Konflikttreiber erkannt, und es gibt ein besseres Verständnis dafür, wie er sich auf die Lebensgrundlagen auswirkt, existenzielle Risiken birgt, zu Ernährungsunsicherheit, Wasserknappheit und Wettbewerb um natürliche Ressourcen führt. Was wir jetzt brauchen, ist eine beispiellose internationale Zusammenarbeit, um diesen Risiken zu begegnen“, forderte sie. Insbesondere die wohlhabenderen Länder müssen einen spürbaren Handlungswillen zeigen.
Inger Andersen, UN-Untergeneralsekretärin und Exekutivdirektorin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), stimmte ihr zu. „Die G20-Staaten sind für 78 Prozent aller Emissionen verantwortlich“, gab Andersen zu bedenken. Dies bedeutet, dass diese Staaten die größte Verantwortung tragen, aber auch über den größten Hebel zur Reduzierung der Emissionen verfügen. „Wir haben noch nicht die Art von Solidarität gesehen, die notwendig ist“, sagte sie und wies darauf hin, dass die Belege eindeutig seien, es den derzeitigen nationalen Klimaschutzbeiträgen (NDCs) aber an Ehrgeiz fehle, obwohl die Auswirkungen des Klimawandels bereits sichtbar seien. Andersen rief wiederholt zu Zusammenarbeit und multilateralen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels sowie Verbesserung der Klimaresistenz auf.
Benedetta Berti, Leiterin der NATO Policy Planning Unit, Büro des Generalsekretärs, fügte hinzu, dass der Klimawandel ebenfalls Auswirkungen auf die militärische Planung habe – und dass militärische Organisationen genauso in der Pflicht stehen, ihre Emissionen zu senken: „Jeder muss seinen Teil leisten.“ Berti erörterte den Aktionsplan der NATO zur Verringerung der Emissionen in den Missionen ihrer Mitglieder.
Alle Diskussionsteilnehmer*innen waren sich einig über die Dringlichkeit, aktuelle und zukünftige Klimaauswirkungen bei friedensfördernden Maßnahmen zu berücksichtigen. Berti erläuterte, dass die NATO in Vorbereitung auf Anpassungsmaßnahmen und eine bessere Verteidigungsplanung die Anfälligkeit ihrer Stützpunkte und Einsatzgebiete für Klimaänderungen ermittelt. Darüber hinaus betonte sie, dass eine wirksame Reaktion auf die klimabedingten Sicherheitsrisiken nicht allein auf Verteidigung beruhen kann: „Wir müssen Brücken zwischen verschiedenen Communities of Practice bauen, eine Zusammenarbeit zwischen Diplomatie, Verteidigung, Sicherheit und Entwicklung.“
DiCarlo stimmte zu, dass dieser Brückenschlag unerlässlich sei: „Wir müssen ein besseres gemeinsames Verständnis der Klimasicherheitsrisiken entwickeln; wir brauchen eine stärkere Zusammenarbeit über Politikbereiche hinweg und müssen Informationssilos aufbrechen, um sicherzustellen, dass politische und technische Lösungen Hand in Hand gehen. Und wir brauchen bessere Partnerschaften, um die Bemühungen auf allen Ebenen miteinander zu verbinden.“ Sie fügte hinzu, dass die UN DPPA daran arbeite, diese Perspektive in alle ihre Arbeitsbereiche einzubringen, indem Frühwarnung, Friedenskonsolidierung und Prävention aus Klimaperspektive betrachtet werden.
Sicherheitsrelevante Auswirkungen des Klimawandels treffen häufig benachteiligte Länder am stärksten, in denen die Stabilität ohnehin gefährdet ist. Omamo rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, dem Globalen Süden zuzuhören und den Wert lokaler Perspektiven und traditioneller Kenntnisse anzuerkennen: „Wir brauchen Anerkennung, damit Stimmen aus dem Globalen Süden – insbesondere von Frauen – gehört werden, Anpassungsfragen sowie finanzielle und soziokulturelle Barrieren verstanden werden und der Süden in seiner eigenen Anpassungsfähigkeit gestärkt wird.“ Sie sieht multilateralen Umweltschutz und eine gleichberechtigte Zusammenarbeit als Schlüssel zur erfolgreichen Stärkung der Widerstandsfähigkeit.
Abschließend einigten sich die Teilnehmer*innen auf mehrere zentrale Ergebnisse. Zunächst einmal müssen die internationale Gemeinschaft sowie einzelne Regierungen bei den Themen Klimawandel und Klima und Sicherheit auf die Wissenschaft hören. Klimasicherheit ist ein drängendes Problem und muss als solches erkannt werden. Vorbeugende Maßnahmen sollten so schnell wie möglich ergriffen werden – zur Abschwächung des Klimawandels und rechtzeitigen Anpassung an die Klimaauswirkungen.
Zweitens, wie DiCarlo es formulierte: „Der Klimawandel ist nicht gleichmäßig verteilt.“ Frauen und Mädchen sind besonders gefährdet. Gleichzeitig bringen sie wertvolle Perspektiven und Kenntnisse ein. Ihre aktive Teilhabe ist wesentlich im Kampf gegen den Klimawandel, um den Herausforderungen der Klimasicherheit zu begegnen und für Frieden zu sorgen.
Drittens ist der Wissensaustausch auf allen Ebenen und über Grenzen und Politikbereiche hinweg von wesentlicher Bedeutung. Damit ist nicht nur das Einbringen der Klimaperspektive in andere Politikbereiche und die Zusammenarbeit zwischen Abteilungen und Behörden gemeint, sondern auch das Anhören von lokalen Expert*innen und das Integrieren traditioneller Kenntnisse.
Und schließlich muss Multilateralismus Ausgangspunkt aller Maßnahmen sein, da der Klimawandel eine globale Herausforderung darstellt. Wie Außenministerin Omamo es sehr treffend zusammengefasst hat: „Es gibt keine Zusammenarbeit, keinen Datenaustausch, keine geteilte Verantwortung ohne ein globales politisches System, das auf Multilateralismus, Fairness, Gerechtigkeit und dem Streben nach menschlicher Würde und der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens beruht.“
Weitere Informationen finden Sie auf der Website der BSCS.